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Die andere Seite des Glücks

Die andere Seite des Glücks

Titel: Die andere Seite des Glücks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Seré Prince Halverson
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einem Stuhl oder stand, die Hand auf der Hüfte. Verschiedene Outfits. Keineswegs aufreizend. Doch dann kamen welche, auf denen sie direkt in die Kamera sah, die Finger nestelten mit Knöpfen. Diese Fotos wirkten nicht gestellt, vielmehr dokumentierten sie den Prozess des Entkleidens. Sie zog die Bluse aus. Trat aus dem Rock. Hakte den BH im Rücken auf. Streifte den Schlüpfer nach unten. Dann stand sie da – einfach so, auch nackt nicht aufreizend. Frontalaufnahme vom Gesicht, den perfekten Brüsten. Das Gesicht ernst, kein halb nach hinten über die Schulter geworfener Blick. Nichts Schamhaftes. Sie wirkte sowohl unsicher wie trotzig, Frau und Kind, sexy und traurig. Welcher Mann hätte sich nicht in sie verliebt?
    Wieder erkannte ich Joe in diesen Aufnahmen. Ohne dass er sichtbar war, sah ich doch seine Perspektive. Zu dem Zeitpunkt schien er noch nicht mit ihr geschlafen zu haben. Was ich hier entdeckte, hatte mit meiner Suche nach rechtlich relevanten Unterlagen nichts zu tun. Doch wenn es so etwas wie einen Moment wahrer Entdeckung gab, dann dieser: Joe entdeckte Paige. Und ich war zur Tür hereingeplatzt.
    Jetzt, in diesem Moment … und vielleicht auch vor drei Jahren, als sie eine schwere Zeit durchmachten.
    Ich ging nach Hause, mit dröhnendem Kopf und brennenden Augen, in das Haus, das Joe und Paige für sich und die zukünftigen Kinder eingerichtet hatten. Ich fiel in das Bett, in dem sie miteinander geschlafen und Annie und Zach gezeugt hatten. Vielleicht sollte ich jemanden anrufen, aber ich hatte schon alle mir nahestehenden Menschen über Gebühr beansprucht. Sie brauchten Ruhe vor mir. Verdammt, ich brauchte Ruhe vor mir. Außerdem wollte ich nicht, dass jemand von den Fotos erfuhr. Ich musste einfach nur mal richtig schlafen, ausgeruht konnte ich auch wieder klar denken. Und so stand ich auf und nahm eine weitere Tablette.
    Ich habe schon gesagt, dass ich mich nie als schön empfand. Attraktiv ja, aber keine Frau, nach der man den Kopf umdrehte, die Künstler inspirierte. Doch wie Joe mich angesehen hatte … da hatte ich mich schön gefühlt. Aber Joe bat mich niemals, nackt für ihn zu posieren. Natürlich hatten wir auch nicht gerade viel Zeit, zwischen Kinderbaden und Windelwechseln im Schlafzimmer intime Fotos zu machen.
    Ich ging zurück ins Bett. Callie brachte mir ihre Leine, doch ich ging nur zur Tür und ließ sie hinaus. Sie blickte mich enttäuscht an, legte mir die Leine vor die Füße und trottete nach draußen, erledigte schnell ihr Geschäft und kam wieder herein, folgte mir ins Schlafzimmer. Totale Erschöpfung überfiel mich. Ich rollte mich unter der Decke zusammen. »Ich bin fix und fertig«, sagte ich laut. Callie stieß einen Seufzer aus und legte ihre Schnauze über der Decke auf mein Bein.
    Es fing an zu regnen. Heute Abend würden die Kinder nach Hause kommen, doch ich schaffte es nicht aus dem Bett. Ich versuchte es. Schließlich musste ich auf die Toilette und ließ auch Callie wieder nach draußen.
Das Gute an dem Mittel ist
, dachte ich und klaubte zwei weitere Tabletten aus der Packung,
dass es nicht süchtig macht
. Ich schlief. Irgendwann wurde ich vom platschenden Regen wach, aber nur lange genug, um mich zu fragen, wie eine einzige Welle alles Gute wegspülen und diese ganzen Trümmer am Strand zurücklassen konnte. Und dann schlief ich wieder.
    Callies Gebell weckte mich. Die Lichter eines Autos schienen in mein Schlafzimmer wie Suchscheinwerfer. Autoreifen fuhren platschend durch Pfützen. Ich hörte Autotüren aufgehen, Paiges Stimme. Ich hatte die Tür nicht verschlossen, das Licht nicht angemacht. Ich musste aufstehen. Steh.
Auf
.
    Ich stieg in die Jeans. Mir war furchtbar schwindlig. Gerade als ich in den Flur stolperte, platzten sie herein. Paige knipste das Licht an, und die Helligkeit ließ mich zusammenzucken. Die Kinder hielten große Ballons mit Regentropfen drauf in den Händen. Sie trugen bunte, trendy Kleider. Sie hatten die Haare geschnitten.
Sie hatten beide einen Pony!
Genau wie Paige.
Wie Kampflinien horizontal auf der perfekten Stirn
, dachte ich,
mit denen Paige ihr Recht auf ihre Gedanken einfordert
. Und dann dachte ich:
O Mann, mache ich wegen den Tabletten aus allem ein Drama?
    Zach schlief mit offenem Mund an Paiges Schulter. Annie hielt ihre neue, limonengrüne Handtasche und den farblich passenden Luftballon in der Hand und sah mich an.
    »Bist du krank, Mommy?«, fragte sie.
    »Hm … ja, ein bisschen Grippe.«
    »Oh«, sagte Paige.

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