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Die andere Seite des Glücks

Die andere Seite des Glücks

Titel: Die andere Seite des Glücks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Seré Prince Halverson
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Mediations-Abteilung entlangging, hatte ich furchtbare Bauchschmerzen. Ich setzte mich in eine der vorderen Reihen nahe der hinteren Wand und sah mich im Raum um. Paige war noch nicht da. Vielleicht würde sie nicht erscheinen. Vielleicht steckte sie wegen eines Unfalls im Stau, oder ihr Flugzeug hatte Verspätung. Die Justizangestellte hinter dem Schalterfenster erklärte einem Mann in einem billigen Anzug, an dessen Ärmel noch die zwei Plastikfäden vom Preisschild hingen, dass die einstweilige Verfügung noch in Kraft sei und er einen gesonderten Mediationstermin ausmachen müsse. Der Mann drehte sich um und ging mit gesenktem Kopf hinaus.
    Ich warf einen Blick auf meine Notizen. Emotional stabil. Ausgeglichen. Liebevoll. Zuverlässig, ja sogar verständnisvoll.
    Vielleicht würde sie nicht auftauchen.
    »Capozzi gegen Beene?«, rief die Justizangestellte, und ich ging zum Schalterfenster. »Sie müssen sich anmelden«, sagte sie und reichte mir ein Formular.
    Ich füllte es aus. Unter »Beziehung zum Kind« machte ich zum ersten Mal in meinem Leben ein Kreuz bei »Stiefmutter«, denn bislang hatte ich meinen Namen immer bei »Mutter« eingetragen – bei der Anmeldung zum Schwimmunterricht, zum Kindergarten, bei Annies Fußballverein. Aber hier stand es nun schwarz auf weiß für den Mediator, und Paige würde ein Kreuz bei »Mutter« machen und somit von Anfang an im Vorteil sein.
    Aber dafür müsste sie erst einmal kommen. Ich wartete, hoffte, doch dann ging die Tür auf, und ich sah, wie sie zum Schalter ging und ihr Kreuz bei »Mutter« machte. Alle Blicke waren auf sie gerichtet, jeder hier fragte sich wahrscheinlich, wessen Exfrau sie wohl sein mochte, wo doch kein passender Partner im Raum zu sehen war. Die Männer richteten sich in ihren Stühlen auf und die Frauen auch. Selbst ich setzte mich aufrecht hin.
    Paige sah sich nach einem Stuhl um und verschwand aus meinem Blickfeld. Je länger wir warteten, desto nervöser wurde ich. Als ich meine Notizen noch einmal las, wurde mir irgendwo zwischen
Über enge Beziehung zu den Kindern sprechen
und
Wie unsere Tage aussehen
schlagartig klar, dass hier und jetzt viel zu viel auf dem Spiel stand. Die Zukunft konnte doch unmöglich von einem flüchtigen Meeting mit einem Fremden abhängen.
    Jetzt kam die eine Mediatorin, die mir positiv aufgefallen war, weil sie das ihr zugeteilte Paar freundlich angelächelt hatte, heraus und rief unsere Namen. Ihr graues Haar war kurz geschnitten, die Haut sonnengebräunt, und sie trug einen wallenden, luftig-leichten Rock und Sandalen. Sie sah von ihrem Klemmbrett auf, nahm die Lesebrille von der Nase, die ihr nun an einer Kette aus Silber und Türkis um den Hals hing, und stellte sich vor.
    Nachdem wir uns in Janice Conners Büro niedergelassen hatten, sagte sie: »Ich habe Ihre Akte gelesen und muss sagen, dass dies ein ungewöhnlicher Fall ist. Sie sollen wissen, dass ich sowohl eine Mutter als auch eine Stiefmutter bin und Ihrer beider Situation verstehen kann. Ich möchte, dass Sie beide mir sagen, was Ihrer Meinung nach passieren soll, und den Grund dafür. Paige, Sie sind die Antragstellerin und machen deshalb den Anfang.« Sie lächelte Paige an. »Warum sind wir hier?«
    Paige erwiderte das Lächeln. »Zuerst einmal möchte ich mich bei Ella entschuldigen.« Sie wandte sich mir zu. »Sie waren meinen Kindern eine gute Stiefmutter, und das werde ich immer anerkennen. Aber zahlreiche falsche Entscheidungen und Missverständnisse zwischen Joe und mir –«
    »Joe ist der verstorbene Vater der Kinder?«, fragte Janice Conner.
    »Ja. Und ich habe nie die Absicht gehabt, meine Kinder für immer zu verlassen.«
    »Das«, sagte ich, »ist schlichtweg nicht wahr. Sie haben zu ihm gesagt, sie kommen nie wieder zurück.«
    Paige ignorierte meinen Einwand und richtete ihre Worte an Janice Conner. »Ich litt unter schweren postpartalen Depressionen. Ich fühlte mich nicht – also ich dachte, es wäre besser für Annie und Zach, mich nicht um sich zu haben. Joe hat das nicht verstanden, und dann bin ich gegangen. Aber ich habe Briefe geschrieben. Eine Weile hatte ich zwar damit aufgehört, doch als ich dann wieder Kontakt aufnehmen wollte, weigerte er sich, meine Anrufe im Laden entgegenzunehmen. Als er das alleinige Sorgerecht beantragt hatte, war ich gerade an meinem Tiefpunkt angelangt. Ich war, ähm …« Sie holte tief Luft und stieß schließlich einen langen Seufzer aus. »Ich war in einer psychiatrischen Klinik, und dort

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