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Die Anderen - Das Dämonenmal (German Edition)

Die Anderen - Das Dämonenmal (German Edition)

Titel: Die Anderen - Das Dämonenmal (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris P. Rolls
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einem dunklen Rotton, schienen eher Löcher als Augen zu sein. Die Nase war fast nicht vorhanden, nur mit zwei Schlitzen angedeutet. Sehr hoch angesetzte, deutlich hervortretende Wangen- und Stirnknochen und ein schmales, fast spitz zulaufendes Kinn verliehen dem Gesicht ein leicht elbenhaftes Aussehen, wären da nicht die scheinbar aus den Schläfen herauswachsenden, hornartigen Gebilde, die sich hoch über den Kopf des Wesens erhoben. Hinzu kam ein nahezu lippenloser, breiter Mund mit langen, raubtierartigen Zähnen, die durch die kaum geschlossenen Lippen gut zu sehen waren.
    Finn schluckte hart, als sein Blick tiefer glitt. Das Wesen wirkte zwar fremdartig, doch es war dennoch sehr maskulin und überaus muskulös. Der Dämon hatte wahrhaftig ein ausgeprägtes Sixpack, das durchaus anziehend war. Finn verbot seiner inneren Stimme sofort kategorisch, mehr zu bemerken und verbannte sie aus der Analyse. Also lieferte sein Verstand brav die weiteren nüchternen Details: breite Schultern, die in lange, kräftige Arme übergingen, schmale, klauenartige Finger, die locker auf den Knien abgestützt lagen. Die Haut schien trocken und rissig, ähnelte einer Reptilienhaut. Die Füße und der Unterkörper blieben größtenteils im Schatten verborgen.
    „Hallo, Finn!“, begrüßte ihn der Dämon ruhig und schien ihm absichtlich die Zeit zu geben, ihn in Ruhe zu mustern.
    Finn atmete so heftig, dass er das Gefühl hatte, seine Lunge würde bersten und sein Herz schlug so hart, als ob es ihm aus der Brust springen wollte. Allerdings machte der Dämon keine Anstalten, sich ihm weiter zu nähern, betrachtete weiterhin den an dem Geländer zusammengekauerten, zitternden jungen Mann.
    Unfähig zu einer anderen Reaktion, starrte Finn auf diese unglaubliche Erscheinung vor sich, von der sich sein Verstand zwar standhaft, jedoch gänzlich erfolglos weigerte, sie als real anzuerkennen. Entschlossen kniff er die Augen zu und begann mit seinem Verstand zusammen eine beschwörende Litanei: Das ist nicht real, das ist nicht real, das ist nicht real! So etwas gibt es nicht! Gleich ist er weg! Dann öffnete er misstrauisch wieder die Augen. Der Dämon saß noch immer da, hatte sich nicht etwa in Luft aufgelöst. Auch war Finn noch immer auf diesem Balkon gefangen.
    So etwas geschieht doch nicht wirklich?, wimmerte Finn abermals in Gedanken. Im Film, okay? Aber hier? In Lüneburg? Verdammt, was zum Teufel will dieser Dämon von mir? Es war seine dritte Begegnung mit diesem Wesen, so langsam sollte er sich damit abfinden, dass er so real war wie das schwindende Tageslicht und der viel zu große Abstand zu der rettenden Straße unter sich.
    Als sich auch nach mehreren Minuten der Dämon vor ihm keinen Millimeter gerührt hatte, beruhigte Finn sich etwas. Sein Körper schaltete zögernd auf Alarmstufe orangerot um und er war in der Lage ein ängstliches „was wollen Sie nur von mir?“, hervorzustoßen.
    Das Licht war hell genug, die Reaktion in dem Gesicht - der Fratz e, korrigierte Finns Verstand hilfreich - des Dämons zu erkennen: Ein Verziehen des seltsamen Mundes, welches eventuell dem dämonischen Äquivalent eines menschlichen Lächelns entsprechen sollte. Allerdings hatte es bei Weitem nicht die beruhigende Wirkung desselben. Dieses Lächeln entblößte scharfe Zähne, deren bloßer Anblick Finns Narbe schmerzhaft pochen ließ und seine innere Stimme erinnerte ihn sofort an das Gefühl, wie diese Zähne in sein Fleisch eingedrungen waren und an ihm gerissen hatten. Er stöhnte auf, als er an ihre erste Begegnung dachte, und versuchte sich verzweifelt noch dichter an das Geländer zu pressen.
    „Ich denke, ich habe da etwas, was du sehr gerne haben möchtest“, meinte der Dämon mit erstaunlich sanfter Stimme. Finn bemerkte, dass sich der Mund des Wesens dabei kaum bewegte. Er keuchte auf, als der Dämon plötzlich hinter sich griff und seine Tasche hervor zog. „Und natürlich das hier“, fügte er ergänzend hinzu. Erneut verzog sich der Mund zu diesem bedrohlichen Lächeln. Die großen Klauen schoben Finn die Tasche zu. Dessen Herz pochte wieder heftiger und er wimmerte auf vor Angst, als sich ihm die klauenartigen Hände näherten. Sie zogen sich jedoch sogleich zurück, ließen nur die Tasche in seiner Reichweite.
    Reglos saß der Dämon da und starrte ihn mit seinen roten Augen undefinierbar an. Finn schluckte hart, griff automatisch nach seiner Tasche und riss sie hektisch zu sich heran. Als er sie hastig zu einem

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