Die Anderen - Das Dämonenmal (German Edition)
mich eingeladen hast“, stammelte Finn, stand hastig auf und griff nach seiner Tasche.
„Vielleicht sehen wir uns mal wieder?“, fügte er hinzu, wobei er versuchte, die Worte nicht zu sehr wie eine hoffnungsvolle Frage klingen zu lassen. Dave lächelte erneut. Köstlich ! Er hatte den jungen Menschen wirklich gerade ziemlich aus dem Konzept gebracht. Er war so wundervoll unerfahren. „Gerne, Finn. Ich treffe dich immer gerne wieder“, nickte Dave ihm zu und ließ ihn sein Fahrrad nehmen. Belustigt beobachtete er, wie Finn es rasch vorwärts schob und fast schon übereilt verschwand. „Bis bald“, fügte Dave noch unhörbar hinzu und leckte sich über die Lippen. Der Kellner schwor später seinem Kollegen gegenüber Stein und Bein, dass dieser elegante Mann, dort an Tisch drei, rot glühende Augen gehabt hatte.
Finn brauchte knapp eine halbe Stunde, um sich einzugestehen, dass er ein verdammter Idiot war. Ein Feigling! Ein erbärmlicher Loser. Dave Duncan hatte eventuell, vielleicht oder doch eher höchstwahrscheinlich mit ihm geflirtet und er war so dumm gewesen, einfach wegzulaufen. Noch immer verwirrt, rekapitulierte er ihr kurzes Gespräch. Was war denn so schlimm daran, dass Dave ihn mit seiner Homosexualität konfrontiert hatte? Okay, Finn empfand es noch immer als unangenehm, wenn er darauf angesprochen wurde. Im Prinzip wusste außer seiner Mutter und Robert keiner aus seinem näheren Bekanntenkreis davon. Es war nichts, mit dem er hausieren ging, besonders nach dem heftigen und verletzenden Erlebnis mit seiner Mutter, die völlig mit ihm gebrochen hatte, war da durchaus noch Scham über sein Schwulsein vorhanden. Höchst ungern erinnerte er sich daran zurück. Nachdem er schon einen Monat in Hamburg gelebt hatte, hatte er sich endlich unabhängig genug gefühlt, um es ihr zu sagen. All seinen Mut hatte er aufbringen müssen, um ihr davon zu erzählen. Und was hatte es bewirkt? Sie hatte ihn grob beschimpft, als abartig und pervers bezeichnet und es gipfelte in dem Ausspruch: „Du bist nicht mehr mein Sohn. Du bist widernatürlich! Ich habe keinen Sohn mehr!“
Gequält erinnerte er sich an diese Szene zurück. Seither herrschte Funkstille zwischen ihnen. Woher hatte Dave es wohl gewusst? Oder hatte er es nur erraten?
Dumm genug hast du dich wahrlich angestellt, gab ihm sein Verstand zu verstehen. Vermutlich war es nicht so schwer gewesen, aus seiner Nervosität und seinem tölpelhaften Verhalten die richtigen Schlüsse zu ziehen. Wer benahm sich auch schon so, wenn er mit einem anderen, wenngleich so attraktivem Mann an einem Tisch saß? So einem wahnsinnig genialen Mann, warf seine innere Stimme verschämt ein, und seufzte tief auf: Warum bist du nur einfach so gegangen? Finn wurde selbst nicht ganz schlau daraus, was ihn überhaupt zu dieser überstürzten Flucht verleitet hatte. Was hatte ihn denn so schockiert? Dass Dave es wusste, oder dass er selbst an Dave interessiert war? Noch nie hatte er einen anderen Mann so extrem attraktiv gefunden. Und noch nie hatte sich einer für ihn interessiert! Diese intensiven, durchdringenden Blicke waren ihm so unter die Haut gegangen! Dieser Mann hatte eine unglaublich erotische Ausstrahlung, der er sich einfach nicht entziehen konnte. Noch immer hallte das Begehren sehnsuchtsvoll in seinen Lenden nach. Dieser Mann wäre mein Ideal, durchfuhr es Finn mit einem Mal. Dave Duncan ist mein absoluter Traumtyp! Von so einem Mann hatte er nachts immer geträumt.
In meinen geheimen, erotischen Träumen, wie er beschämt bemerkte. Nie hätte er geglaubt, ihm mal real zu begegnen. Warum also war er nur weggelaufen? So würde das ja nie etwas werden! Finn bedauerte, dass sein Freund Robert, mit dem er über alles reden konnte, nicht mehr da war. Klar, sie telefonierten noch oft miteinander, doch ihre Wege hatten sich nun mal getrennt. Robert hatte jetzt sogar eine Freundin, bei der es ihm zum ersten Mal ernster zu sein schien. Immerhin waren sie schon fast einen Monat zusammen. Finn verzog das Gesicht, schwang sich aufs Rad und trat, wütend auf sich selbst, heftig in die Pedale.
***
Der sonnige Oktobertag neigte sich dem Ende zu und es wurde langsam dämmerig, als er in die Straße zu seiner Wohnung einbog. Vor dem hübschen Zweifamilienhaus mit dem gepflegten Garten sprang er vom Fahrrad und verlagerte das Gewicht seiner Umhängetasche etwas, weil ihm die Tragegurte in die Schulter schnitten.
Alles in allem hatte ihm der Umzug nach Lüneburg viel Positives
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