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Die Anderen - Das Dämonenmal (German Edition)

Die Anderen - Das Dämonenmal (German Edition)

Titel: Die Anderen - Das Dämonenmal (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris P. Rolls
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Energie, die mit nichts zu vergleichen war, was ihm die Furcht und Todesangst seiner menschlichen Opfer je beschert hatte. Süßer als Blut, nahrhafter als Fleisch. Es war alles, was er war, alles, woraus er bestand, alles, wonach er lechzte und er nahm es gierig in sich auf, bis Finn schließlich in sich zusammensackte. Die Energie versiegte augenblicklich, kaum war der Mensch ohnmächtig aufs Bett zurückgefallen.
    Der Dämon brüllte vor Wut und Enttäuschung auf. Seine Krallen griffen nach Finn, umklammerten heftig dessen Schultern und zerrten den schlaffen Körper hoch und schüttelten ihn verlangend, rasend vor Gier nach mehr. Aber Finn tauchte nicht wieder aus der Ohnmacht auf.
    Brüllend erhob sich der Dämon vom Bett und schwang sich durch das offene Fenster, welches nur in Finns Illusion geschlossen gewesen war. Er breitete seine Flügel aus und sprang in den dunklen Nachthimmel, schrie seinen Verlust, seine ungestillte Gier und seinen Hunger laut in die nächtliche Welt hinaus.
    Mehrere Menschen in den umliegenden Straßen schraken aus ihrem Schlaf hoch. Das merkwürdige, tierische Brüllen erfüllte den Himmel und überall flammten Lichter auf oder Fenster wurden, auf der Suche nach dem Verursacher des Geräusches, aufgerissen.
    Aber der Dämon war längst in seinen Elementen, der schwarzen Nacht und der Luft, verschwunden.

    Schwärze.
    Absolute Finsternis. Es gab nichts in diesem undurchdringlichen Schwarz um ihn her. Kein Oben, kein Unten. Kein Vor, kein Zurück. Nichts. Er spürte keinen Körper, keine Existenz, nichts von sich selbst. Er existierte nicht. Es war, als ob er nur aus unstofflicher Schwärze bestehen würde.
    Ringsum wisperte es. Kaum hörbare, raunende Stimmen, verweht von einem fernen Wind. Er verstand kein einzelnes Wort, lauschte nur begierig auf diese fernen Fragmente von Stimmen und Geräuschen, weil sie das einzige in dieser Unendlichkeit aus Schwärze und Nichts waren. War es eine fremde Sprache? Waren es überhaupt Stimmen oder nur das Geräusch von Wind, der durch Gras oder Blättern strich? Ein leichtes Säuseln, ein feines Summen. Aber es war alles, was er hatte, und so erschien es ihm unglaublich wichtig, zu hören und zu verstehen, was sie ihm zuraunten, ihre Sprache zu verstehen, sie zu verstehen. Konnten sie ihm hier heraushelfen? Wo in diesem schwarzen Nichts waren sie verborgen? Er wandte sich um sich selbst, doch es war alles so unendlich dunkel.
    Helft mir. Helft mir hier raus , flüsterte er leise flehend in die Dunkelheit. Ich will fühlen. Ich will sehen. Ich will leben.
    Etwas veränderte sich, er spürte es wie einen Windhauch im Gesicht, der sanft seine Haare streifte. Eine Stimme schien ihn zu rufen, gedämpft und fast unhörbar. Er verstand keine einzelnen Worte und wusste nicht, was sie sagte, jedoch war darin ein Flehen von solcher Sehnsucht, dass er der Stimme im Wind folgte.
    Ein ferner Punkt in dem ganzen Schwarz war grau geworden. Er konnte ihn nicht fassen, nicht genau sehen, auch wenn er es verzweifelt versuchte. Nur wenn er der rufenden, lockenden Stimme lauschte und sich ganz auf sie konzentrierte, verschob sich das Schwarz und wurde grauer, heller.
    Er schloss die Augen und hörte nur auf das Raunen in sich , folgte ihm mit seinem Herzen und allen seinen Sinnen. Und dann verstand er Worte, erahnte ihre Bedeutung, auch wenn ihre Sprache so fremd klang. Dennoch schien sie ihm vertraut, sprach etwas tief in ihm an. Komm. Komm zu mir , raunte sie befehlend. Ich rufe dich zu mir .
    Beständig folgte er dem leisen Ruf der Stimme weiter durch die Finsternis. Das Grau wurde heller und heller. Er wusste es, obwohl er die Augen fest geschlossen hielt, um die Stimme in sich nicht zu verlieren. Andere Stimmen ertönten um ihn her, waren laut und fordernd. Doch er konzentrierte sich weiterhin nur auf diese eine flehende, beschwörende Stimme. Sie wurde deutlicher, die Worte lockten ihn, versprachen ihm alles. Freiheit, Nahrung, Leben, Leidenschaft und vor allem eine Existenz.
    Komm. Komm zu mir, erfülle meinen tiefsten Wunsch. Sei mein.
    Dann war helles Licht um ihn her, ebenso wie viel zu viele Farben, Gerüche und Geräusche. Verwirrt schlug er die Augen auf.
    Finn brauchte einen Moment, um zu begreifen, wo er war. Hatte er gerade geträumt? Was war das gewesen? Überrascht sah er sich um und stemmte sich auf die Unterarme hoch. Er war in seinem Zimmer, lag auf seinem Bett. Draußen schien die Sonne, Vögel sangen und Autos fuhren auf der Straße vorbei.

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