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Die Anderen IV - Der Weg aus der Dunkelheit (German Edition)

Die Anderen IV - Der Weg aus der Dunkelheit (German Edition)

Titel: Die Anderen IV - Der Weg aus der Dunkelheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris P. Rolls
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anwesend zu sein schien. Sein Blick hing irgendwo in der Luft. Das Gesicht wirkte so unendlich traurig, dass Angelika an sich halten musste, ihn nicht in den Arm zu nehmen. Sie saßen zu dritt auf der Terrasse des Hauses, auch wenn es am späten Nachmittag schon etwas kühl war. Die beiden Männer halfen ihr, getrocknete Kräuter aufzubereiten.
    Finns Finger arbeiteten automatisch. Seine Hände mussten sich bei dieser Tätigkeit nur darauf konzentrieren, die harten Stängel entlang zu streichen, um die Blätter zu ernten und das war ihm gerade ganz recht. Es lenkte ab, war monoton genug, um ihn in einen Zustand zu versetzen, in dem er nicht nachdenken musste, wo ihn die Bilder nicht immer und immer wieder heimsuchten. Tagsüber gelang es ihm mittlerweile ganz gut, nicht ständig an ihn denken zu müssen. Nicht ständig das Gefühl erleben zu müssen, wie das Messer in seine Brust eingedrungen war, die sterbenden Augen mit dem roten Funkeln darin zu sehen, beobachten zu müssen, wie das Glimmen langsam verlöscht war.
    Meistens holten ihn die Albträume nachts ein. In ihnen war er ständig auf der Suche nach Dave. Er durchschritt im Traum ein riesiges Gebäude, voll menschenleerer Zimmer. Er rannte durch endlose, einsame Gänge, öffnete tausende von Türen, fand hinter jeder nur gähnende Leere und weitere Gänge, weitere Türen. Endlos.
    Jede Nacht schrie er verzweifelt Daves Namen, der laut von den Betonwänden widerhallte, ihn verhöhnte. Nie erhielt er Antwort. Er war alleine. Am Ende der Träume öffnete er eine Tür und fand dahinter nur den wohlbekannten, leblosen Körper vor, die gewaltigen Flügel weit ausgebreitet. Blut floss zäh aus der Brust, tropfte aus der Wunde, in der noch das Messer steckte. Das Messer, welches er ihm in den Leib gestoßen hatte.
    Bebend, weinend näherte Finn sich diesem Körper und fiel vor ihm auf die Knie. Die Gestalt des Dämons, aber Daves Gesicht, seine Augen, die ihn voller Schmerz anblickten. Und immer wieder sah er ihn sterben und bat verzweifelt: „Geh nicht, Dave, geh nicht!“
    Aber der Körper löste sich jedes Mal unaufhaltsam vor seinen Augen auf, wurde dunkel, schwarz und versank in den Boden, entzog sich ihm, egal wie sehr er versuchte ihn festzuhalten.
    Jede Nacht wachte Finn schweißgebadet und schluchzend auf, wusste, dass er ihn verloren hatte und jeder seiner Rufe vergebens sein würde. Dave war tot.
    Erneut traten ihm die Tränen in die Augen.
    Und erneut waren seine Gedanken abgeschweift. Rasch wischte er sich eine feuchte Spur von der Wange, konzentrierte sich verstärkt auf seine Hände und schüttete die Kräuter in den größeren Korb vor Angelika. Der Kräuterduft umhüllte ihn, wirkte auf gewisse Weise tröstend. Wie auch die Gesellschaft seiner Freunde.
    Seit zwei Tagen war er hier im Krähennest. Roger und Angelika hatten ihn und Robert problemlos in dem großen Haus untergebracht. Finn wusste, dass er sich um sein Leben kümmern sollte, um seine Vorlesungen, sein Studium, Referate, Hausarbeiten, sein weiteres Leben. Sein Verstand rief es ihm täglich mehrfach laut genug zu, trat ihn ständig. Jedoch war er dazu einfach nicht fähig. Sein Körper funktionierte. Er aß, er schlief, bewegte sich, redete, wenn es nötig war. Ansonsten war er völlig leer, funktionierte mechanisch.
    Daves Tod hatte ihn entzweigerissen, eine klaffende Wunde hinterlassen. Ohne diesen wichtigen, fehlenden Teil von ihm, fiel es ihm unendlich schwer, weiterzuleben, einfach Finn zu sein. Finn ohne Dave.
    „Noch mehr?“, fragte er Angelika ohne den Kopf zu heben. Sie reichte ihm wortlos einen anderen Korb, der hinter ihr gestanden hatte und gelbe und orange Ringelblumenblüten enthielt. Schweigend machte Finn sich daran, die Blütenblätter abzuzupfen.
    Seine innere Stimme wies leise darauf hin, dass die anderen zwei ihn wie so oft mitleidig ansahen. Es war ihm völlig egal. Sein Verstand kümmerte sich nicht mehr darum. Für peinlich berührte Gefühle war er derzeit nicht mehr zuständig. Er hatte genug damit zu tun, Finns Lebenserhaltungssysteme aufrechtzuerhalten, ihn zu zwingen, weiterzuleben.
    Natürlich bedauerten seine Freunde ihn, fühlten bis zu einem gewissen Grad auch mit, keiner von ihnen wusste jedoch, konnte erahnen, was er wirklich verloren hatte. Mehr als seinen Geliebten. Einen Teil von sich, einen Teil seiner Seele, seines Innersten. Sich selbst, im gewissen Sinne.
    Vermutlich freuen sie sich insgeheim eher darüber, dass du ihn erledigt hast, vermutete

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