Die Anfänge meiner Welt
Interesse aufkommen, und daran konnten auch ihre wohlgeformten
Schenkel und ihre schlanken, kräftigen Handgelenke nichts ändern. Was mich
betraf, so hatte auch meine Familie so gut wie keinen Grundbesitz, und die
Väter, Onkel und Vettern dieser Männer schuldeten meinem Vater allesamt Geld
dafür, daß er ihr Vieh zur Versteigerung fuhr. Sie zahlten, wann es ihnen
paßte, weil sie wußten, daß er das Geld nicht einfordern konnte (verdarb er es
sich auch nur mit einem von ihnen, würde die ganze Sippe am nächsten Markttag
in Wrexham oder Whitchurch geschlossen zur Konkurrenz gehen). Wir zogen die
Jungbauern mit ihren langen Shorts oder den Haarbüscheln in ihren Ohren auf,
sie aber lehnten uns in Bausch und Bogen ab. Der Bauer will eine Frau, wie wir
auf dem Schulhof an der Friedhofsmauer gesungen hatten.
Doch diese gemischten Doppel
fügten unserer Liebe zum Tennis keinen bleibenden Schaden zu. So wenig wie die
Mücken, obwohl ich auf ihre Stiche fürchterlich allergisch reagierte und
mehrmals mit bernsteingelben Schwellungen und Elefantenknöcheln im Bett liegen
mußte. Da meine Beine mir auch in den besten Zeiten Kummer bereiteten — sie
waren stämmig, zu kurz und rosa marmoriert — , waren diese häßlichen Ausschläge
geradezu eine Erleichterung, ein Vorwand, um meine Beine gleich ganz zu
verstecken. Ich tat mich jetzt leichter mit dem »Übergang«. Gail hatte mir das
Selbstvertrauen gegeben, mich anzupassen, das Tennis gab mir das
Selbstvertrauen, Hockey zu spielen. Ich war Verteidigerin, versteht sich
(hinten im Zweiundzwanzigmeterraum), und eine eiskalte Saison lang trat ich
jeden Samstagnachmittag hinter der Viertellinie von einem Fuß auf den anderen
und lauerte darauf, müde Stürmerinnen zu stoppen, die den Ball mit Pässen und
Dribblings in bestem Stil übers halbe Spielfeld getrieben hatten, nur damit ich
ihn weg- und dorthin zurückschlug, wo sie ihn herhatten. Oft klappte das aber
nicht so, und nach den Spielen waren meine Beine mit lilaschwarzen Flecken
übersät, eine rätselhafte Färbung, so rätselhaft wie das Hockeyspielen selbst,
das den Geist der höheren Schule besänftigen sollte.
Ich mache nicht mit, sagte ich mir, ich tat nur zum Schein, was man von mir erwartete, um Mißtrauen
und Abneigung zu mildern. Selbst wenn ich mit den anderen zehn Spielerinnen in
der Halbzeitpause Orangen lutschte und unser Atem sich in der kalten Luft zu
einer Wolke vereinte, beobachtete ich von den Seitenlinien aus unsicher meine
Wirkung. Durch das Hockey wurde schließlich doch ein Unterschied zwischen Gail
und mir offenbar: Sie gab sich nie auch nur mit dem Gedanken ab, bei
Mannschaftsspielen mitzumachen. Außer für Tennis begeisterte sie sich
ausschließlich für früholympische Disziplinen wie Leichathletik und Turnen. Sie
ging ihren eigenen Weg, mir fehlte das Rückgrat dazu. Ich tat alles, um geliebt
und akzeptiert zu werden, aber gerade die Intensität meiner Bemühungen stand
dem Erfolg im Wege. Niemand in der zweiten Mannschaft begegnete mir mit mehr
als pflichtschuldiger Freundlichkeit. Nur wenn ich mit Gail zusammen war,
konnte ich mich selbst vergessen.
Ich wollte geliebt werden, sie
wollte ihren Aufschlag mit vier makellosen Assen durchbringen, den Schulrekord
im Speerwurf brechen und die ungläubigen Gesichter sehen, wenn das Maßband
entrollt wurde, sie wollte sich einen Schimpansen als Haustier halten, sich die
Nägel wachsen lassen, ohne daß einer abbrach, und sie knallrot lackieren oder
Paul Anka persönlich kennenlernen und ihn ihrer unverbrüchlichen Ergebenheit
versichern. Die Objekte ihrer Begierde lagen nur knapp außerhalb ihrer
Reichweite. Sie waren etwas Lebendiges, Besonderes, und ihr Streben war
Selbstzweck, die Frustration hatte auch ihren Reiz. Meine Wünsche dagegen waren
unbestimmt, amorph, und ihre Erfüllung hing von Menschen ab, die ich vermutlich
noch gar nicht kannte, ausgenommen die Figuren in Büchern — und ausgenommen
Gail. Ich konnte keine Spiele spielen, denn ohne Gail war ich todernst. Für
mich gab es nur die Suche nach Anerkennung, ich wollte mich in den anderen
spiegeln (jedes Auge war eine Kristallkugel), um zu verstehen, wer ich war.
Doch je begieriger ich die Leute anschaute, desto frostiger wurden sie. Wir
beide sahen unserem ersten Schulball mit ganz unterschiedlichen Hoffnungen
entgegen.
Die Vorbereitungen zur
Umwandlung der Turnhalle in einen Ballsaal begannen im November. Mrs. Lasts
Kunstschülerinnen schnitten mit Schablonen gemalte Clowns
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