Die Angebetete
einem karierten Hemd und uralter Bluejeans saß Buddy Delmore an der Pedal-Steel-Guitar der Band, jenem sanften, verführerischen Instrument, das Kayleigh trotz all ihres Talents nie gemeistert hatte. Sie hielt jeden, der es beherrschte, für ein Genie. Buddy spielte außerdem die charakteristisch klingenden Dobro- und National-Resonatorgitarren. Der Fünfundsechzigjährige stammte aus West Virginia und finanzierte mit der Musik seine wahre Leidenschaft: eine Hühnerfarm. Er hatte acht Kinder; das jüngste war zwei Jahre alt.
Der Drummer war neu in der Gruppe. Alonzo Santiago kam aus dem spanischen Viertel von Bakersfield und konnte mit allem, das er in die Finger bekam, einen Rhythmus erzeugen. Auch dies war für Kayleigh wie Magie; sie selbst vermochte einem Takt zwar zu folgen, aber vorgeben mussten ihn andere. Santiago hatte sogar seinen kleinen Kindern Schlagzeuge geschenkt – was für Eltern wirklich selten war –, nur um enttäuscht erfahren zu müssen, dass seine Tochter später mal Rennfahrerin werden wollte und sein Sohn Comiczeichner.
Das letzte Mitglied der Band, eine stämmige, rundgesichtige Rothaarige Mitte vierzig, war ihr »Orchester«. Sharon Bascowitz zählte zu den Menschen, die ein Instrument nehmen und es sofort virtuos spielen konnten, auch wenn sie es noch nie zuvor gesehen hatten. Ob Susafon, Cello, Cembalo, Marimba, Indianerflöte … egal, was es war, Sharon konnte es zum Singen bringen. Sie trug stets drei oder vier farbenprächtige Schichten aus Batikstoff und Spitze und dazu glitzernden Modeschmuck. Die Frau war so grell wie Emma Sue schüchtern.
Die Probe verlief zwanglos; sie hatten den größten Teil des Programms schon so oft aufgeführt, dass ein erneutes Proben wahrscheinlich nicht mal nötig war, aber die Reihenfolge der Songs war neu. Zudem hatte Kayleigh je einen Coversong von Patsy Cline beziehungsweise Alison Krauss & Robert Plant hinzugefügt und zwei neue Lieder geschrieben, die sie der Band am Vorabend gefaxt hatte. Eines davon war Bobby gewidmet. Alicia würde hingegen keine Erwähnung finden, hatte Kayleigh beschlossen.
Sie beendeten das ungestüme und spaßige »I’m in the Mood (for Rock ’n’ Roll)«, und Kayleigh schaute zu Barry am Mischpult. Er reckte den Daumen nach oben. Er war zufrieden. Sie war zufrieden. »Okay«, sagte sie zur Crew und zur Band. »Ich glaube, das reicht fürs Erste. Wir treffen uns um achtzehn Uhr zum letzten Soundcheck.«
Laut dem Gott aller Auftritte, Bishop Towne, konnte man nicht oft genug proben, aber durchaus zu lange. Sie brauchten jetzt eine Pause, um die neuen Ideen reifen zu lassen.
Kayleigh reichte ihre Martin an Tye Slocum weiter, damit er den neuen Sattel einbauen konnte, trank einen weiteren Eistee und nahm ihr Telefon. Sie überlegte einen Moment und dann noch einen. Schließlich tat sie etwas, das sie bis heute für undenkbar gehalten hätte.
Kayleigh Towne rief Edwin Sharp an.
»Ja?« Er klang immer noch ein wenig groggy.
»Hallo, hier ist Kayleigh.«
»Äh, hallo.«
»Bist du noch im Krankenhaus?«
Er lachte. »Ich hätte nicht gedacht, dass du dich wirklich melden würdest. Nein. Die haben mich rausgelassen.«
»Wie geht es dir?«
»Es tut alles weh.«
»Nun, ich hoffe, es geht dir gut genug, um zum Konzert zu kommen«, sagte sie entschlossen. »Ich habe dir eine Karte besorgt.«
Es herrschte Stille, und sie fragte sich, ob er ablehnen würde. Doch er sagte. »Okay. Danke.«
»Ich hab sie hier. Wollen wir uns zum Mittagessen treffen?«
Sie hätte das Ticket an der Kasse hinterlegen können, aber das kam ihr irgendwie kleinlich vor angesichts all dessen, was er für sie getan hatte. Sie hatte sich mit Sheri versöhnt; sie würde sich auch mit Edwin versöhnen können.
»Ich soll mich bei Detective Madigan melden und meine Aussage zu Protokoll geben«, sagte er. »Aber erst um vierzehn Uhr. Also ja, gern.«
Er schlug einen Imbiss vor, den er kannte. Kayleigh war einverstanden und beendete das Gespräch. Auf dem Weg zum Bühnenausgang sah sie, dass Tye Slocum bereits die Saiten der Martin entfernt hatte und an dem neuen Knochensattel herumfeilte. Er war so in seine Arbeit versunken wie ein Bildhauer, der ein Meisterwerk vollendete.
Dann blickte sie zur dunklen Decke des Konzertsaals empor. Kayleigh war am Morgen im Haus ihres Vaters aufgewacht und hatte gedacht, das Konzert sei das Letzte, was sie nun wollte. Sie hatte sogar in Erwägung gezogen, den Rauch des Feuers in ihrem Haus als Ausrede für eine
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