Die Angebetete
Kleine bei dem Konzert tragen wollte.
Nach dem Gespräch nahm sie wieder ihre alte Martin und übte ein wenig mehr mit den Plektren, die Edwin ihr geschenkt hatte.
Sie mochte sie sehr. Erstklassige Flatpicker wie Doc Watson, Norman Blake, Tony Rice und Bishop Towne würden niemals ein großes flexibles Dreieck benutzen, sondern kleine, harte Plektren wie diese. Kayleigh war eigentlich eher eine Fingerpickerin, mochte aber dennoch die Kontrolle, die …
»Wie fasst sie sich an?«, ließ eine Stimme sie zusammenzucken. Tye Slocum war lautlos aus dem Nichts erschienen, trotz seiner Größe. Seine Augen waren auf das Instrument gerichtet.
Kayleigh lächelte. Der Gitarrentechniker meinte den Abstand zwischen den Saiten und dem Griffbrett. Manche Gitarren hatten eine Schraube oder Mutter, um diesen Abstand mühelos zu verstellen. Martins nicht; bei ihnen erforderte diese Einstellung mehr Aufwand und Geschick.
»Ein bisschen tief. Beim D hat sie etwas gebrummt.«
»Wir können den Sattel austauschen«, sagte er. »Ich habe kürzlich welche aus Knochen aufgetrieben. Ganz alte. Die sind prima.« Der Sattel war das schmale, zumeist weiße Querstück am Übergang vom Kopf zum Hals. Durch seine Kerben liefen die Saiten, und er war für den Klang einer Gitarre unerlässlich. In akustischer Hinsicht war hartes Elfenbein das beste Material, aus den Stoßzähnen von Waldelefanten. Danach kam weiches Elfenbein – von großen afrikanischen Elefanten. Knochen waren das drittbeste Material. Es waren beide Elfenbeinsorten erhältlich – manche legal, andere nicht –, aber Kayleigh weigerte sich, Elfenbein zu benutzen, und duldete das auch bei keinem anderen Mitglied ihrer Band. Tye besaß jedoch gute Quellen für alte Knochen, die einen fast ebenso trefflichen Klang erzeugten.
Eine Pause. »Ach, übrigens: Wird Barry heute Abend das Mischpult übernehmen?« Er schaute zu der Plattform im hinteren Teil der Halle, wo Barry Zeigler mit einem Kopfhörer saß und die Hände über das Bedienfeld huschen ließ.
»Ja.«
Tye seufzte. »Okay. Klar. Er ist gut.«
Bobby Prescott war nicht nur der Chefroadie gewesen, sondern hatte bei den Konzerten auch die schwierige Aufgabe der Abmischung übernommen, ganz in der Tradition seines Vaters. Alle aus der Crew hatten das riesige, komplizierte Midas- XL 8-Mischpult halbwegs im Griff – Tye ebenfalls –, aber Kayleigh hatte beschlossen, Zeigler darum zu bitten, solange er sich noch in der Stadt aufhielt. Ihr Produzent hatte als Pultmann in der Branche angefangen, nachdem aus seinen Rockstar-Träumen nichts geworden war. Niemand bekam es besser als Barry hin, sowohl dem Publikum im Saal einen guten Sound zu liefern als auch der Band auf der Bühne über die Monitorboxen eine verlässliche Rückmeldung zu geben.
Slocum ging nun zu seinem Arbeitsplatz voller Stimmer, Saiten, Verstärker und Werkzeuge. Kayleigh kehrte auf die Bühne zurück und setzte die Probe fort.
Ihre Band bestand aus Künstlern, die ihr gesamtes Berufsleben der Musik gewidmet hatten. Es gab da draußen natürlich zahlreiche Talente, aber Kayleigh hatte sich sehr darum bemüht, eine Gruppe zusammenzustellen, die sie und ihre Lieder verstand und wusste, welchen Klang sie anstrebte. Eine Gruppe, die reibungslos zusammenspielte; oh, das war nicht nur wichtig, sondern unabdingbar. Es gibt wenige Tätigkeiten, die so intim sind wie gemeinsames Musizieren, und ohne komplette Synchronizität der Beteiligten würden auch die besten Songs der Welt und die talentierteste Sängerin nicht zur Geltung kommen.
Kevin Peebles war der Leadgitarrist, ein schlanker, gelassener Mann Mitte dreißig, dessen mahagonifarbene Kopfhaut im Scheinwerferlicht vor Schweiß glänzte. Er war einige Jahre lang Rocker gewesen, bevor er sich seiner wahren Liebe zugewandt hatte – der Countrymusic, einem Genre, in dem dunkelhäutige Interpreten seit jeher kaum repräsentiert waren.
Die Bassistin und Backgroundsängerin Emma Sue Granger war eine der schönsten Frauen, die Kayleigh je gesehen hatte. Sie hatte schulterlanges rabenschwarzes Haar, in das sie gelegentlich kleine Zöpfe flocht oder das sie mit der einen oder anderen Blume schmückte. Granger trug am liebsten enge Pullover, die sie selbst strickte, und Lederhosen. Kayleighs Publikum bestand zu sechzig Prozent aus Frauen, aber für die restlichen vierzig hielt Emma Sue sich häufig im vorderen Teil der Bühne auf.
Mit seinem verbeulten Strohhut und dessen fast vollständig aufgerollter Krempe,
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