Die Angebetete
ihre Visitenkarte.
»Ich bin auf dem Gebiet auch nicht ganz unbewandert«, erwiderte Madigan. »Gut, das wär’s dann, Kathryn.« Er steckte die Karte ein wie ein benutztes Papiertaschentuch.
»Oh, halt, das Seminar«, sagte Harutyun stirnrunzelnd. »In Salinas. Körpersprache, richtig? Kinetik. Das waren Sie.«
»Kinesik, ja.«
Er wandte sich an Madigan. »Alberto und ich haben letztes Jahr daran teilgenommen. Es war hilfreich. Und Sie waren außerdem witzig.«
»Ein Seminar«, wiederholte Madigan. »Witzig? – Tja, gut zu wissen. Da kommt mir ein Gedanke. Kayleigh, Sie haben hier gestern jemanden gesehen?«
»Bloß einen Schatten«, sagte die Sängerin.
Er lächelte. »Es muss etwas da sein, um einen Schatten zu werfen. Oder jemand. Warum sprechen Sie nicht mal mit allen Angehörigen der Crew, die gestern hier waren, Kathryn? Und auch mit allen Angestellten des Kongresszentrums. Vielleicht hat ja irgendjemand irgendwas bemerkt.«
»Das könnte ich tun, Detective. Aber das ginge eher in Richtung Klinkenputzen. Wobei das Team und alle anderen hier bestimmt gern behilflich wären. Normalerweise aber werde ich hinzugezogen, wenn Grund zu der Annahme besteht, dass ein Zeuge oder Verdächtiger lügt oder sich nicht mehr an relevante Fakten erinnern kann.«
»Und ich hoffe wirklich, dass wir jemanden auftreiben können, an dem Sie dann Ihre Seminarkünste erproben dürfen, Kathryn. Doch bis dahin wäre es eine große Hilfe, wenn Sie herausfinden könnten, was die anderen zu sagen haben. Sie brauchen sich natürlich nicht dazu verpflichtet zu fühlen.«
Seminarkünste …
Sie war ausmanövriert worden. Der Hund hatte beim Picknick nach leckeren Bissen geschnüffelt und stattdessen einen trockenen Knochen hingeworfen bekommen.
»Es wird mir ein Vergnügen sein«, sagte Dance. Sie ließ sich von Kayleigh die Namen der Crewmitglieder und Mitarbeiter des Kongresszentrums nennen, die am Vortag zugegen gewesen waren, und gab sie einen nach dem anderen in ihr iPhone ein.
Der Gerichtsmediziner traf ein und beriet sich leise mit dem leitenden Detective.
»Wir sehen uns später«, sagte Dance zu Kayleigh. Der Blick der jungen Frau war so voller Kummer, dass man ihm kaum standhalten konnte. Kathryn bog auf den Mittelgang ein, als ihr schlagartig etwas klar wurde.
Mein Gott.
Sie drehte sich wieder um. »Kayleigh, noch mal wegen gestern Abend … Der Anrufer hat dir nur eine Strophe vorgespielt, richtig?«
»Die erste. Und den Refrain.«
»Und im Text geht es um einen Konzertsaal.«
»Nun, ja, in gewisser Weise. Es dreht sich eher darum, wie es ist, eine öffentliche Person zu sein. Aber es wird eine Bühne erwähnt.«
»Ich weiß nicht, wer hinter der Sache steckt«, sagte Dance. »Aber falls es ein Stalker wie Edwin ist, wird er meiner Ansicht nach weitere Morde begehen.«
»Oh, Kathryn«, flüsterte Kayleigh. »Noch mehr? Er könnte noch anderen Leuten Schaden zufügen?«
Stalker wurden nur selten zu Mördern, aber in ihren Jahren als Reporterin, Beraterin bei der Geschworenenauswahl und schließlich als Cop hatte Dance gelernt, dass es in dieser Hinsicht keine Gewissheiten gab; tot blieb tot, egal, ob der Mörder ein Ersttäter oder ein Gewohnheitsverbrecher war.
»Stalking basiert auf der steten Wiederholung eines obsessiven Verhaltens. Ich glaube, wir sollten davon ausgehen, dass er weitere Anrufe tätigen wird und dass sich auch weitere Leute in Gefahr befinden. Ich würde Kayleighs Telefon überwachen lassen. Und lassen Sie uns die anderen Strophen des Songs unter die Lupe nehmen und herausfinden, wo oder gegen wen er das nächste Mal zuschlagen könnte.«
»Aber was hätte der Täter davon?«, fragte Madigan. »Was ist dabei für ihn drin?«
»Das weiß ich nicht«, erwiderte Dance. »Manche Stalker sind einfach Psychotiker.«
»Klingt ziemlich weit hergeholt«, sagte Madigan. Er schien in erster Linie verärgert zu sein, dass Kayleigh dank Dance noch weiter aus der Fassung gebracht worden war.
»Ich halte es für wichtig.«
»Scheint so.« Der Chief Detective erhielt einen Anruf, hörte kurz zu und sagte dann zu Kayleigh: »Das war eine der Streifen. Die Kollegen sind an Ihrem Haus vorbeigefahren, haben aber weder ihn noch seinen Wagen gesehen.«
»Wo ist er, wo ist er hin ?« Kayleigh klang panisch.
»Das wissen sie nicht.«
Madigan sah auf die Uhr. Er wies Harutyun an, nach draußen zu gehen und für die Reporter eine kurze Verlautbarung abzugeben. »Nennen Sie keine Einzelheiten, nur Bobbys
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