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Die Angebetete

Die Angebetete

Titel: Die Angebetete Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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mir würde am liebsten auf seinem Boot in der Monterey Bay wohnen.«
    Michael O’Neil fuhr ständig auf das unruhige Wasser hinaus. Oft mit Dance’ Sohn Wes und mit seinen eigenen Kindern. Manchmal kam auch Kathryns Vater mit, ein pensionierter Meeresbiologe.
    »Die Monterey Bay. Hm. Lachs.« Madigan schaute sich um. »Ich gehe gern angeln.«
    »Fangen und freilassen?«
    »Nein. Das kommt mir grausamer vor. Ich fange und esse.«
    »Michael auch.«
    »Michael?«
    »Der Freund, von dem ich sprach.«
    Wieder Schweigen, so drückend wie die steigende Hitze. Sie sahen Harutyun und Stanning beim Spannen des gelben Absperrbandes zu.
    »Ich habe Tabatha versprochen, dass wir auf sie aufpassen werden.«
    »Können wir machen.«
    »Es ist wichtig.«
    »Können wir machen«, wiederholte er leicht gereizt. »Beordern Sie einen Streifenwagen her«, befahl er Harutyun. »Irgendeinen Anfänger. Er soll das Grundstück hier im Auge behalten. Den Wohnwagen auf der anderen Straßenseite ebenfalls.«
    »Danke«, sagte Dance zu Madigan.
    Er reagierte nicht.
    Sie roch Old Spice oder irgendeinen anderen Gewürznelkenduft an ihm. Unter dem beachtlichen Bauch trug er einen Revolvergurt, in dessen Schlaufen tatsächlich einzelne Patronen steckten wie bei einem Cowboy. Nicht etwa Schnelllader, jene runden Halterungen, mit denen die sechs oder acht Kammern einer ausgeklappten Revolvertrommel alle auf einmal und binnen kürzester Zeit geladen werden konnten. Als Detective in Fresno war man offenbar nur selten gezwungen, auf Leute schießen oder gar eilig nachladen zu müssen.
    Madigan trat wieder auf die Tür zu und nahm das Schloss in Augenschein. »Das könnte geknackt worden sein.«
    Wortlos warteten sie auf die Ankunft der Spurensicherung. Als es so weit war, zeigte Dance sich – nicht zum ersten Mal – von der Effizienz der Fachleute beeindruckt. Das Team legte zügig Overalls, Masken und Füßlinge an. Dann überprüften zunächst zwei von ihnen mit gezogenen Waffen das Innere des Wohnwagens auf etwaige Gefahren. Dance war überrascht. Die meisten Polizeibehörden schickten zu diesem Zweck das Sondereinsatzkommando oder gewöhnliche Beamte vor, wodurch die Tatorte allerdings verunreinigt wurden.
    Dann machte die Spurensicherung sich an die Arbeit, stäubte die Oberflächen ein und suchte mit alternativen Lichtquellen nach Fingerabdrücken, nahm Partikelproben, sicherte sowohl drinnen als auch draußen auf der Veranda elektrostatische Fußabdrücke und hielt nach Reifenspuren Ausschau sowie nach allem, was der Täter weggeworfen oder verloren haben könnte.
    Lincoln Rhyme, ein guter Freund von Dance, zählte zu den landesweit führenden Experten für die forensische Spuren- und Tatortuntersuchung. Sie selbst stand dem blinden Vertrauen auf diese Methode ein wenig skeptisch gegenüber; in einem ihr bekannten Fall war beinahe ein Unschuldiger hingerichtet worden, weil der echte Täter ihm belastendes Material untergeschoben hatte. Andererseits vollbrachten Rhyme und seine Partnerin Amelia Sachs regelmäßig wahre Wunder, wenn sie anhand kaum wahrnehmbarer Spuren einen Täter identifizierten und seiner Verbrechen überführten.
    Ihr fiel auf, dass Madigans Blick zum ersten Mal seit ihrem Eintreffen hellwach und interessiert wirkte, während er dabei zusah, wie das Team das Grundstück durchkämmte und eifrig in dem Wohnwagen ein und aus ging. Er mag seine Spuren, dachte sie. Er ist ein Objekt -Cop, kein Subjekt -Cop.
    Eine Stunde später waren sie fertig und trugen mehrere Kisten und Tüten hinaus, Letztere teils aus Papier, teils aus Plastik. Dann gaben sie den Tatort frei.
    Dance hatte das Gefühl, sie würde hier nicht viel länger willkommen sein, trotz des Angelgesprächs, das sie und Madigan geführt hatten. Also beeilte sie sich, den Wohnwagen zu betreten, in dem es nach erhitztem Kunststoffmobiliar roch. Dance erstarrte. Das war ja regelrecht ein Museum. Sie hatte so etwas noch nie gesehen, jedenfalls nicht in einer privaten Behausung. Poster, Schallplattenhüllen, Gitarren, Musikerstatuetten, eine Hammond-B3-Orgel, Teile von Blas- und Streichinstrumenten, alte Verstärker und Hunderte von Vinylschallplatten – LP s für 331/3 Umdrehungen pro Minute, 45er Singles und uralte 78er, dazu Tonbänder auf Spulen. Sie fand eine Plattenspielersammlung und ein legendäres Modell Nagra des Herstellers Kudelski, das beste tragbare Tonbandgerät aller Zeiten. Es war, als würde sie in einer Garage voller wunderschöner Oldtimer stehen. All

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