Die Angebetete
diese analogen Geräte waren schon vor langer Zeit durch digitale Nachfolger abgelöst worden.
Dennoch waren sie für Dance, genau wie offenbar für Bobby, echte Kunstwerke.
Sie fand Hunderte von Konzertsouvenirs, hauptsächlich aus den Sechziger- bis Achtzigerjahren. Kaffeebecher, T-Shirts, Schirmmützen. Sogar Kugelschreiber – was eigentlich nicht überraschte, denn es handelte sich um Andenken aus dem Programm des intellektuellsten aller Singer-Songwriter, Paul Simon, dessen Lied »American Tune« zum Namensgeber für Kathryns Internetseite geworden war.
Der größte Teil aller Gegenstände hier hatte jedoch mit der Welt der Countrymusic zu tun. Die Fotos, die nahezu jeden freien Quadratzentimeter der Wände bedeckten, vollzogen die Geschichte des Genres nach, das sich, so glaubte Dance, im Laufe der Jahre so oft wie keine andere Musikform in Amerika immer wieder neu erfunden hatte. Sie entdeckte Bilder von Musikern der traditionellen Ära – den Stilrichtungen Grand Ole Opry und Rockabilly – in den Fünfzigern. Und aus der Zeit des Country-Rock ein Jahrzehnt später, gefolgt von Outlaw, vertreten durch Leute wie Waylon Jennings, Hank Williams jr. und Willie Nelson. Es gab hier Fotos und Autogramme von Dolly Parton, Kenny Rogers und Eddie Rabbitt, die zum Country-Pop-Trend der Spätsiebziger- und Achtzigerjahre gehörten. Die folgende Neotraditionalismus-Bewegung war eine Rückbesinnung auf die Anfangszeit und brachte Superstars wie Randy Travis, George Strait, die Judds, Travis Tritt und Dutzende andere hervor – und sie alle waren hier repräsentiert.
In den Neunzigern wurde Country international, einerseits mit Künstlern wie Clint Black, Vince Gill, Garth Brooks, Shania Twain, Mindy McCready und Faith Hill und andererseits mit einer starken Alternativbewegung, die die durchgestylte Machart der Nashville-Produktionen ablehnte. Von einer der Wände blickten Fotos von Lyle Lovett und Steve Earl herab, zwei prominenten Vertretern der zweiten Richtung.
Auch die Gegenwart fand Beachtung. Hier war ein Foto von Carrie Underwood (ja, die American-Idol -Gewinnerin) sowie ein signiertes Exemplar der Noten zu Taylor Swifts »Fifteen«, in dem es nicht um Fernfahrer, Gott, das harte Leben oder andere traditionelle Country-Themen ging, sondern um die Ängste einer Highschool-Schülerin.
Und natürlich war die Karriere von Kayleigh Towne ausführlich dokumentiert.
Dance wusste, dass viele Historiker sich mit der Musikszene der letzten fünfzig Jahre beschäftigten, aber sie bezweifelte, dass auch nur einer von ihnen so viele Erinnerungsstücke wie Bobby besaß. Kein Todesfall ist schlimmer als irgendein anderer, aber Dance verspürte dennoch ein tiefes Bedauern, dass Bobby Prescotts hingebungsvolles Bemühen um die Archivierung sämtlicher Aspekte der Pop- und Countrymusic des zwanzigsten Jahrhunderts mit ihm gestorben war. Es war ein Verlust, der die ganze Welt betraf.
Dance riss sich von den Archiven los und schritt aufmerksam den gesamten Wohnwagen ab. Sie wusste nicht genau, wonach sie suchte.
Dann fiel ihr etwas Ungewöhnliches auf.
Sie ging zu einem Bücherregal, in dem mehrere Aktenordner und Schnellhefter mit wichtigen Unterlagen wie Verträgen und Steuerbescheiden standen, dazu Schachteln mit Kassetten und Tonbändern, einige beschriftet als »Mastertapes«.
Während Dance diesen Bereich des Wohnwagens besonders gründlich in Augenschein nahm, kam sie auch an dem Fenster vorbei, hinter dem Tabatha an jenem Vormittag den Eindringling gesehen hatte. Erschrocken zuckte sie zusammen, denn draußen vor der Scheibe stand ein überaus verdrießlicher P. K. Madigan und starrte ihr mitten ins Gesicht.
Seine Miene besagte, dass er gründlich mit ihr Schlitten fahren würde.
Doch sie kam ihm zuvor und rief: »Ich hab was gefunden!«
Er verzog das Gesicht und zögerte, bevor er sich schließlich widerwillig zu ihr gesellte.
»Genau genommen habe ich festgestellt, dass etwas fehlt .«
Er sah sich um. »Hat etwa die Körpersprache des Wohnwagens Ihnen das verraten?«, fragte er spöttisch.
»So könnte man es ausdrücken«, entgegnete Dance ungerührt. »Ein Mensch folgt bei seinen Gesten, seiner Sprache und seiner Mimik gewissen individuellen Mustern. Das gilt auch für die Gestaltung seiner Wohnung. Bobby ist eine hochgradig organisierte Person. Leute mit dieser Eigenschaft sind das nicht zufällig; der Antrieb ist in ihrer Psyche verankert. Und nun sehen Sie sich diese Regalfächer an.« Sie zeigte
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