Die Angebetete
– Also gut.« Er stand wieder mit den Händen in den Seiten da und schaute in die Runde. »Sie sind ganz allein in der Stadt. Möchten Sie gern zum Abendessen vorbeikommen? Meine Frau ist eine ziemlich gute Köchin.«
»Ich werde wohl einfach etwas im Motel essen. Und früh schlafen gehen.«
»Wir haben auch leckeren Nachtisch.«
»Eiscreme?«
Er lachte. »Nein. Judy backt. Na ja, Eiscreme ist dann meistens auch noch dabei.«
»Ich glaube, ich passe, aber vielen Dank.«
»Dann noch einen schönen Abend, Kathryn.«
»Ihnen ebenfalls, Chief.«
Dance fuhr zurück zum Mountain View Motel. Die Schlösser an ihren Koffern waren intakt, und nichts schien in Unordnung gebracht worden zu sein. Sie schaute aus dem Fenster zum Park, konnte keinen Beobachter entdecken und zog die Vorhänge zu.
Gleich darauf klingelte das Telefon.
»Agent Dance?« Eine angenehme Männerstimme.
»Ja.«
»Hier ist Peter Simesky. Der Mitarbeiter des Abgeordneten Davis.«
Als hätte sie keine Ahnung, wer er war.
»Ja, hallo.«
»Hallo. Ich bin im Moment in der Lobby … in Ihrem Motel. Der Abgeordnete hat auf einer Farm in der Nähe eine Rede gehalten. Könnte ich mit Ihnen sprechen? Oder störe ich Sie bei irgendwas?«
Ihr fiel keine glaubwürdige Ausrede ein, und so sagte sie, sie würde gleich zu ihm kommen.
Als sie die Lobby betrat, telefonierte er gerade, beendete aber höflich das Gespräch, sobald er sie erblickte. Sie reichten einander die Hände. Simesky lächelte, legte aber gleich darauf die Stirn in Falten.
»Wie ich gehört habe, wurde der zweite Anschlag bestätigt.«
»Ja. Ein weiterer Mord.«
»Wieder jemand aus Kayleighs Umfeld?«
»Nicht direkt.«
»Können wir etwas für Sie tun?«
»Bis jetzt nicht. Aber ich weiß das Angebot zu schätzen.«
»War das dieser Stalker?«
»Es deutet manches darauf hin, doch wir wissen es nicht mit Sicherheit.«
Simesky neigte auf bestimmte Weise den Kopf, und Dance wusste, dass nun eine artverwandte Geschichte folgen würde. »Der Abgeordnete hatte auch schon Probleme dieser Art. Mit Mitarbeitern der Kampagne und Praktikanten. Zwei Frauen und ein schwuler Mann. Die hatten sich in ihn verguckt, könnte man wohl sagen.«
Dance erzählte vom Typ des erotomanischen Stalkers. »Das passt genau ins klassische Profil. Ein mächtiger Mann und jemand in einer untergeordneten beruflichen Stellung. Gab es auch Drohungen?«
»Nein, nein, es wurde bloß unangenehm.«
Simesky hatte eine große Flasche Wasser und trank durstig daraus. Dance sah die Schweißflecke auf seinem weißen Hemd. Er folgte ihrem Blick und lachte. »Der Abgeordnete hat seine Umweltrede auf Farmen von Watsonville bis Fresno gehalten. Die Temperatur bei Ihnen zu Hause war wesentlich angenehmer.«
Watsonville lag unmittelbar nördlich von Dance’ Wohnort und in der Nähe der Küste. Und Kathryn war der gleichen Meinung: Das Wetter dort war weitaus angenehmer als im San Joaquin Valley.
»Ich möchte wetten, es gab reichlich Zulauf.«
»Auf den Farmen wegen seiner Haltung zur Einwanderungsfrage, meinen Sie? Oh, allerdings. Wir haben das als Erfolg verbucht. Nur vierzig Demonstranten waren da, höchstens fünfzig. Und niemand hat was geworfen. Manchmal fliegen die Tomaten. Oder Rosenkohl. Irgendwie paradox, ein Kandidat aufseiten der Landarbeiter wird von den Gegnern der Landarbeiter mit Gemüse beworfen.«
Dance lächelte.
Simesky schaute zur Bar des Motels. »Wie wäre es mit einem Glas Wein?«
Sie zögerte.
»Es wird nicht lange dauern. Die Sache ist wichtig.«
Dance musste daran denken, wie er sie in Kayleighs Haus angesehen und ihre Hand ein wenig zu lange gedrückt hatte. Wurde sie hier auch zum Objekt eines Stalkers? »Nur um das klarzustellen: Ich bin in festen Händen«, sagte sie.
Er lächelte wehmütig und ein wenig verlegen. »Das ist Ihnen nicht entgangen, hm?«
»Ich mache so etwas beruflich.«
»Ja, ich hab von Ihnen gehört.« Ein Grinsen. »Ich sollte wohl lieber auf meine Körpersprache aufpassen … Also, Agent Dance …«
»Kathryn.«
»Ja, ich habe ein bisschen geflirtet – vorhin und eben gerade. Und ich bin etwas enttäuscht, dass Sie einen festen Partner haben. Aber man kann ja mal fragen.«
»Kein Problem.« Edwin Sharp hätte sich an jemandem wie Peter Simesky ruhig mal ein Beispiel nehmen können.
»Doch ich bin noch aus einem anderen Grund hier. Völlig ohne Hintergedanken.«
»Okay, dann lassen Sie uns ein Glas Wein trinken.«
In der trüben, leicht heruntergekommenen
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