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Die Angebetete

Die Angebetete

Titel: Die Angebetete Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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berücksichtigen. Aber es dürfte haufenweise Leute geben, die einen Filesharer am liebsten umbringen würden. Die Hälfte aller Plattenfirmen und Filmstudios.«
    Ein weiterer Streifenwagen traf ein und rollte am Rand des geschwärzten Brandorts knirschend über Schotter, Erde und gebleichte Zweige hinweg. Er hielt neben einem verblassten Schild der Tankstellenkette, auf dem ein hellgrüner Dinosaurier abgebildet war. Dance’ Tochter Maggie machte gerade eine Dino-Phase durch, und in ihrem Zimmer lagen überall kleine Plastikechsen herum. Kathryn schob den Gedanken beiseite. Ihre Kinder fehlten ihr plötzlich sehr.
    P. K. Madigan stieg aus, stemmte die Hände in die schmalen Hüften unter dem großen Bauch und ließ den Blick in die Runde schweifen. Dann gesellte er sich zu Dance und Harutyun. »Er hat also ihre Songs geklaut?«
    »Ganz recht.«
    »Ich habe einfach nicht daran gedacht, dass er auf ein Festnetztelefon ausweichen könnte«, knurrte Madigan. »Hätte ich aber müssen.«
    »Wir alle.«
    »Und wo, zum Teufel, steckt er? Sein Auto ist so groß wie mein Boot und noch dazu leuchtend rot. Ich begreife nicht, wie er uns immer wieder entwischen kann.« Sein Telefon klingelte, und er schaute auf das Display. »Hallo? … Was Sie nicht sagen … Nein, ich fahre selbst hin.« Er trennte die Verbindung. »Tja, nun gut. Ich weiß zwar immer noch nicht, wo Edwin war, als dieser Kerl hier gestorben ist, aber ich weiß, wo er sich jetzt aufhält. Er steht mal wieder vor Kayleighs Haus. Gegenüber, auf dem Parkplatz beim Arboretum.«
    »Und was macht er?«
    »Er sitzt quietschvergnügt auf der Motorhaube seines Wagens und macht ein Picknick. Ich will mit ihm reden. Nun ja, genau genommen möchte ich, dass Sie mit ihm reden, Kathryn. Kriegen Sie das hin?«
    »Und ob.«

30
    Doch es kam nicht zu dieser Unterredung.
    Sie fuhren jeder mit dem eigenen Wagen und trafen schon fünfundzwanzig Minuten später bei Kayleighs Haus ein, aber Edwin Sharp war nicht mehr da.
    Er hat einen sechsten Sinn, dachte Dance, obwohl sie nicht an sechste Sinne glaubte.
    Bildete sie sich das nur ein, oder hing da immer noch eine Staubwolke in der Luft, die er beim Losfahren aufgewirbelt hatte? Schwer zu sagen. Es gab in Fresno ziemlich viel Staub. Der Himmel war klar, aber es kam gelegentlich Wind auf und ließ einen Wirbel aus beigefarbenem Puder entstehen, der sich zu einem winzigen Trichter verjüngte und dann wieder in sich zusammenfiel.
    Dance und Madigan hielten auf dem Parkplatz gegenüber von Kayleighs Haus und stiegen aus. Diese Seite der Straße am Rand des Erholungsgebiets war üppig bewachsen, ebenso Kayleighs Grundstück. Die flachen Felder jedoch, die sich in einiger Entfernung nach Süden und Westen erstreckten, bestanden nur noch aus schwarzer Erde. Was auch immer dort angebaut wurde, war geerntet worden.
    Der Detective warf ihr einen wissenden Blick zu, denn auch er war enttäuscht, dass Edwin ihnen schon wieder durch die Lappen gegangen war. Dann lehnte er sich gegen seinen Wagen und rief jemanden an. Offenbar sprach er mit dem Deputy bei Kayleighs Haus – einem zusätzlichen Wachposten, den Madigan zur Unterstützung von Darthur Morgan abgestellt hatte, sobald die Personallage es erlaubte. Er trennte die Verbindung. »Das war José drüben beim Haus.« Ein Nicken. »Edwin war bis vor zehn Minuten hier. Sie haben nicht gesehen, in welche Richtung er weggefahren ist.«
    Dance konnte verstehen, warum. Von hier aus hatte man nur das Obergeschoss des Hauses im Blick, das in etwa neunzig Metern Entfernung am Ende der Schotterauffahrt stand. Sie fragte sich, ob die Fenster dort – die Edwin wahrscheinlich beim Essen angestarrt hatte – wohl zu Kayleighs Schlafzimmer gehörten.
    Lange Zeit herrschte Schweigen. Die Sonne stand schon tief am Himmel, und Dance konnte spüren, wie die Hitze Stück für Stück nachließ.
    »Vor zwei oder drei Jahren hatte ich bei mir im Garten mal eine Schlange«, sagte Madigan. »Eine große Klapperschlange, wirklich riesig. Ich habe sie nur einmal gesehen und dann nicht wieder, den ganzen Sommer lang. War sie unter dem Grill, unter der Hecke oder vielleicht wieder abgehauen? Ich habe ständig meine Waffe bei mir getragen, was ich sonst nie mache.«
    »Wegen der Kinder«, sagte Dance.
    »Wegen der Kinder. Irgendwann hieß sie bei uns nur noch die ›unsichtbare Schlange‹. Aber das war nicht witzig. Es hat uns in dem Jahr unseren Garten verdorben. Und dabei hatten wir sie nur ein einziges Mal gesehen.

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