Die Angebetete
Margaret gesprochen hätte, schon gar nicht Bishop, sondern weil sie sich Kayleighs sämtliche Songs angehört und eingeprägt hatte. Viele von den frühen Liedern drehten sich um ihre Mutter.
Ungeachtet des gespannten Verhältnisses hielt Sheri jedoch sehr viel von Kayleigh, Stieftochter hin oder her, und sie mochte auch Suellyn, deren Mann Roberto und Mary-Gordon. Oh, was für ein süßes Kind! Genau die Art von Tochter, die sie gern gehabt hätte – und auch bekommen hätte –, wäre ihr Leben nur ein wenig anders verlaufen.
Sheri wollte so gern dazugehören. Sie liebte Bishop, liebte seine seltsame Mischung aus Stärke und Bedürftigkeit und liebte sein Talent – einst brillant und immer noch mitunter aufblitzend. (Und womöglich würde es zukünftig wieder zu voller Blüte erwachen; er sprach manchmal davon, auf die Bühne zurückzukehren. Dieses Geheimnis hatte er nur mit ihr geteilt, mit niemandem sonst.)
Doch die Verbindung zwischen ihr und ihrem Mann würde erst vollständig sein, wenn es ihr gelang, eine echte Beziehung zu Kayleigh aufzubauen. Und nicht diese oberflächliche Herzlichkeit.
Hallo, Sheri, wie geht’s? Einen schönen Tag noch wünsche ich dir. Bis dann.
Verdammt. Für Kayleigh bin ich wie der anonymste Fan, den sie bei irgendeinem Konzert sieht.
Sie bog nun von der langen Auffahrt ihres Hauses endlich auf die Straße ein, die zum Highway führte. Die Strecke war zwar gepflastert, aber trotzdem holprig. Der Wagen wurde durchgeschüttelt wie auf einem Schotterweg.
Aber vielleicht, nur vielleicht würden die Dinge sich ändern können. Es hatte vereinzelte Fünkchen Hoffnung gegeben. Kayleighs gelegentliche Grußkarten an Sheri. Ein Geschenk zum Geburtstag. Und dann vor einer halben Stunde eine E-Mail ihrer Stieftochter mit der Bitte, aus Bishops Haus zwei Dutzend ihrer CD s zu dem Mittagessen mitzubringen als Geschenke für die Fans. Kayleigh hatte vergessen, sie einzupacken.
Danke, Sheri. Du bist ein Schatz!
Sie war verletzt gewesen, dass Kayleigh es nicht für nötig befunden hatte, sie zu der Veranstaltung einzuladen, obwohl Sheri bei deren Organisation geholfen hatte. Doch dann war ihr in der E-Mail das Wort mitbringen aufgefallen. Demnach hatte das Mädchen sie gar nicht brüskiert. Vielleicht war Kayleigh davon ausgegangen, dass Alicia sie eingeladen hatte. Oder Sheris Teilnahme war für sie so selbstverständlich gewesen, dass es nicht extra erwähnt werden musste.
Handelte es sich eventuell um eine indirekte Entschuldigung, weil die Verärgerung des Mädchens nachließ? Bei dem Auftritt in Bakersfield war es zwischen ihnen kürzlich zu einer peinlichen Auseinandersetzung gekommen. Wegen einer dummen Kleinigkeit, eigentlich völlig unwichtig. Aber irgendein Arschloch hatte ein oder zwei Minuten des schroffen Wortwechsels aufgenommen und das Video ins Netz gestellt, wo es rasend schnell bekannt geworden war. Sheri hatte sich gedemütigt gefühlt – auch wenn sie immer noch der Überzeugung war, dass Kayleigh den Streit vom Zaun gebrochen hatte.
Aber nun könnte alles vergeben und vergessen sein. Unter Umständen war sie doch nicht dazu verdammt, auf ewig die böse Stiefmutter zu bleiben.
Der Zustand der Straße besserte sich, und Sheri beschleunigte den Mercedes, denn außer ihr war niemand zu sehen. Mit hohem Tempo sauste sie zwischen den Bäumen zu beiden Seiten dahin.
Vielleicht sollte sie Kayleigh zum Dank ein Geschenk besorgen. Sie …
Der Reifen platzte so schnell, dass der Wagen bereits über den Seitenstreifen rutschte, bevor Sheri auch nur reagieren konnte. Sie schrie auf und bemühte sich, die schwere Karosse unter Kontrolle zu bekommen. Dabei kam sie den Bäumen gefährlich nahe – mit immer noch mehr als hundertzehn Kilometern pro Stunde.
Doch Sheri Marshal Towne stammte aus dem Mittelwesten und fuhr Auto, seit sie vierzehn war. Die Kombination aus Schnee und großen Motoren hatte sie gelehrt, wie man mit einem schlingernden Fahrzeug umgehen musste. Sie ging vom Gas, fing an gegenzulenken und rührte die Bremse nicht an.
Langsamer, langsamer … der Wagen rutschte ein wenig, fuhr gerade, rutschte wieder und ließ Kies, Blätter und Zweige aufwirbeln. Doch es gelang ihr, weder über die neun Meter hohe Klippe rechts von ihr hinauszuschießen noch in die Kiefernreihe gegenüber zu donnern.
Noch achtzig Kilometer pro Stunde, sechzig …
Letztendlich jedoch war der Untergrund zu schlüpfrig – Schotter und Kiesel auf verdichteter Erde –, und sie konnte
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