Die Angebetete

nicht verhindern, dass der große Mercedes auf die Bäume zurutschte, sich in einem Graben verkeilte und mit einem Ruck zum Stehen kam.
    Mit schweißnassen Händen und klopfendem Herzen legte Sheri die Stirn auf das Lenkrad.
    »O Gott, o Gott, o Gott«, flüsterte sie und war dankbar, dass sie letzten Sonntag in die Kirche gegangen war.
    Der Herr hatte seine schützende Hand über sie gehalten und sie vor Schaden bewahrt.
    Sie dachte noch an Ihn, als ein lautes Knacken ertönte und die Windschutzscheibe plötzlich von einem Netz aus Rissen durchzogen war; Glaspartikel trafen Sheris Haut.
    Sie blickte verblüfft auf – eher erschrocken als beunruhigt –, und berührte die kleine Wunde.
    Wie konnte ein Stein …?
    Dann erneut ein Knacken und fliegendes Glas – und diesmal hörte sie draußen einen lauten Knall.
    O mein Gott, nein! Jemand schoss auf sie! Das waren Kugeln !
    In den Schatten zwischen einigen hohen Bäumen bewegte sich etwas. Ein weiteres Aufblitzen. Und im Wagen hallte ein dumpfer Schlag wider. Diesmal hatte er die Windschutzscheibe verfehlt.
    Ein Jäger?
    Oder dieser Verrückte, der von Kayleigh besessen war?
    Sheri öffnete das Gurtschloss, rutschte so weit wie möglich auf den Boden und suchte nach ihrem Telefon. Wo, wo, wo?
    Wieder ein Schuss. Auch dieser war nicht auf die Scheiben gezielt, sondern auf den hinteren Teil des Wagens, genau wie der vorherige. Der hallende Einschlag bestätigte den Treffer.
    Was soll das?, dachte Sheri wie betäubt.
    Und dann begriff sie es. Scheiße, er zielt auf den Tank! Das musste dieser Stalker sein, Edwin Sharp! Warum machte er das? Sie hatte ihm doch nichts getan!
    Sie versuchte, das Beifahrerfenster herunterzulassen, aber die Stromzufuhr war unterbrochen. Und die Türen wurden durch die Seitenwände des Grabens festgeklemmt.
    Dann roch es immer durchdringender nach Benzin. Sheri dachte unwillkürlich an die heißen Sommernachmittage an der Möchtegern- NASCAR -Strecke, auf der ihr erster Ehemann jeden Samstag Rennen gefahren war.
    Und während sie nun schluchzend und vergeblich gegen die Windschutzscheibe trat, kam ihr noch ein anderer Gedanke: Die E-Mail wegen des Mittagessens stammte gar nicht von Kayleigh, sondern von ihm, Edwin Sharp, der eine E-Mail-Adresse mit Kayleighs Namen darin angelegt hatte. Dann hatte er von dort aus eine Nachricht an Sheris Kontaktadresse auf der Internetseite des Mädchens geschickt, um sie hierherzulocken.
    Kayleigh hatte sie also doch nicht bei dem Mittagessen dabeihaben wollen.

34
    Kathryn Dance hatte das Sheriff’s Office vor fünfzehn Minuten verlassen.
    Nachdem sie erfahren hatten, dass »Your Shadow« während des Trainings am Footballfeld gespielt worden war, hatte die Einsatzgruppe sich in drei Teams aufgespalten. Eines versuchte, Sam Gerber abzufangen. Das zweite fuhr zu dem Country Club im Norden von Fresno, weil Edwin dort einen Anschlag auf Gerber oder ein anderes Opfer versuchen könnte. Und das dritte Team begab sich gemeinsam mit der Highway Patrol auf die Suche nach Edwin und seinem Wagen. Harutyun hatte zudem die Krankenhäuser in Alarmbereitschaft versetzt, weil ein weiterer Anschlag drohte. Zu ihnen zählte auch eine Verbrennungsklinik; Feuer schien eine der bevorzugten Waffen des Täters zu sein – womöglich angeregt durch Kayleigh selbst.
    Love is fire, love is flame.
It warms your heart, it lights the way.
It burns forever just like the sun.
It welds two souls and makes them one.
Love is fire, love is flame.
    Die Liebe ist Feuer, sie ist eine Flamme.
Sie wärmt dir das Herz und bescheint deinen Weg.
Sie brennt ewig, genau wie die Sonne.
Sie schmiedet zwei Seelen zu einer zusammen.
Die Liebe ist Feuer, sie ist eine Flamme.
    Auch Kathryn Dance war auf dem Weg zu dem Mittagessen. Sie kannte sich in der Gegend nicht aus, daher hätte es für sie wenig Sinn ergeben, sich an der Fahndung zu beteiligen. Nein, sie hielt es für das Beste, als Koordinatorin im Country Club zu fungieren und Kayleigh durch ihre Anwesenheit zu beruhigen.
    Doch während sie den SUV flink durch den Verkehr steuerte, kam ihr eine Eingebung.
    Dies geschah mitunter, als würde jemand in ihrem Verstand anklopfen, und sie konnte es sich einfach nicht erklären. Ein Sprung von Gedanke A zu Gedanke B zu … Gedanke Z (Michael O’Neil hatte neulich gescherzt, ihr Hirn vollführe mal wieder einen kleinen Dance ).
    Nein, nein, hier stimmt was nicht. Edwin würde wissen, wie schwierig es wäre, einen Anschlag während dieses Mittagessens zu