Die Angebetete
verüben. Die Veranstaltung stellte jedoch eine gute Ablenkung dar und band viele Polizeikräfte. Und war Sam Gerber wirklich ein potenzielles Opfer? Nein. Edwin würde sich niemanden vornehmen, über den er sich in einem Posting geäußert hatte. Das wäre zu offensichtlich. Außerdem – wieso sollte er Gerber töten, einen von fünfzigtausend harmlosen Fans? Sam passte nicht in das Profil eines Stalker-Opfers.
Die Crew war in Sicherheit. Alicia war unter Leuten.
Wer also könnte das Opfer sein?
Dance stellte sich abermals die grundlegende Frage: Falls Edwin der Stalker war, was wollte er bezwecken? Jemanden töten, der sich zwischen ihn und Kayleigh stellen konnte, auf den Edwin eifersüchtig war, der als ein Feind Kayleighs wahrgenommen werden konnte oder der sie gekränkt hatte oder dessen Tod sie beide für immer aneinanderfesseln würde.
Dance erinnerte sich an den Klatsch und Tratsch auf den Untergrundseiten, die O’Neil gefunden hatte, an die Berichte der sensationslüsternen Fans. Ein heißes Thema – denn es gab nicht viele – war das gespannte Verhältnis zwischen Kayleigh und ihrer Stiefmutter. Es existierte sogar ein peinliches Video von einem Streit in Bakersfield, den jemand mit seinem Mobiltelefon aufgezeichnet hatte.
Es handelte sich nicht um eine ausgewachsene Fehde; Kayleigh schien weder über die dafür notwendige Kleinlichkeit noch Böswilligkeit zu verfügen. Und nach allem, was Dance gelesen hatte, kam Sheri Towne ihr wie eine achtbare Frau vor, die verlässlich und loyal zu ihrem Mann hielt und sogar aktiv an Kayleighs Karriere mitwirkte. Doch Sheri war die neueste in einer langen Reihe von Stiefmüttern, und sie und Kayleigh schienen nicht miteinander auszukommen. Sheri war nicht einmal zu dem Mittagessen eingeladen worden, das sie selbst mit organisiert hatte.
Gedanke Z …
Dance rief Bishop Towne an und nannte ihren Namen.
»Klar, Officer Dance«, knurrte der Mann. »Was macht dieses Arschloch? Ich habe gehört, er hat schon wieder ein Lied gespielt.«
»Wo ist Ihre Frau?«
»Sie ist zu diesem Mittagessen gefahren. Kayleigh hat sie doch noch eingeladen.«
Bei Dance erklang eine Alarmglocke, obwohl sie halb mit dieser Antwort gerechnet hatte.
»Wann ist sie losgefahren?«
»Vor etwa zwanzig Minuten.«
»Hat Kayleigh sie angerufen?«
»Nein, sie hat eine E-Mail geschickt und Sheri gebeten, ein paar CD s zu der Veranstaltung mitzubringen. Zum Verteilen als Geschenke. Sie hat auch geschrieben, ihre Schwester und Mary-Gordon sollten lieber nicht mitkommen – wegen dieses Arschlochs Sharp.«
»Sie ist also allein?«
»Ja.«
»Bishop, ich glaube, Sheri befindet sich womöglich in Gefahr. Diese E-Mail könnte von Edwin stammen.«
»Nein!«
»Vielleicht. Welche Strecke würde sie nehmen?«
»O nein, nein …«
»Welche Strecke?«
»Vom Haus aus bleibt nur die Los Banos Road zum Highway 41. Sie müssen etwas unternehmen! Bitte! Ihr darf nichts zustoßen.«
Es ging ihr zu Herzen, den sonst so ruppigen Mann auf einmal verzweifelt und verletzlich zu erleben.
»Geben Sie mir ihre Nummer.«
Dance prägte sie sich ein. »Ich melde mich, sobald ich etwas weiß«, sagte sie dann. »Was für einen Wagen fährt sie?«
»Ich glaube, sie hat den … ja, sie hat den Mercedes genommen. Silber.«
Dance versuchte, Sheri zu erreichen, aber die Frau ging nicht ans Telefon. Dann rief sie Kayleigh an und erfuhr nach einer kurzen, verlegenen Pause, dass, nein, Kayleigh eigentlich keinen Wert auf Sheris Anwesenheit gelegt und ihr demzufolge auch keine E-Mail geschickt hatte. Dance trennte die Verbindung und brachte den Wagen mit einer Vollbremsung zum Stehen. Dann gab sie die Los Banos Road in ihr Navigationsgerät ein und raste zurück auf den Highway.
Die fragliche Straße war ein schmaler Asphaltstreifen, der sich durch die Hügel in Richtung Yosemite schlängelte. Nur dort konnte Edwin einen Angriff auf Sheri inszenieren. Falls sie bereits den breiten, mehrspurigen Highway 41 erreicht hatte, befand sie sich vermutlich in Sicherheit.
Doch Dance wusste, dass Edwin das nicht zulassen würde. Er hatte bestimmt längst die perfekte Stelle für einen Hinterhalt ausgewählt.
Sie versuchte es erneut unter Sheris Nummer. Ohne Erfolg.
Zwei Minuten später befand sie sich auf der Los Banos Road mitten im Wald.
Da sah sie ungefähr einen Kilometer voraus Rauch aufsteigen.
Sie nahm das Telefon, fing an, Madigans Nummer zu wählen, trat das Gaspedal noch weiter durch und fuhr in eine Kurve.
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