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Die Angebetete

Die Angebetete

Titel: Die Angebetete Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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Zuneigung, aber auch Reiberei und Abgrenzung. Doch mit Mühe und Glück lassen die Abstände – geografische wie emotionale – sich verkleinern oder gar ganz überbrücken. Dance musste an sich selbst, Jon Boling und die Kinder denken … und daran, was ihre Mutter über Bolings Umzug nach San Diego erfahren hatte.
    Wieder einmal kam ihr Kayleighs Liedtext in den Sinn, und zwar dieselbe Strophe, die dem Anschlag auf Sheri Towne zugrunde gelegen hatte.
    One night there’s a call, and at first you don’t know
what the troopers are saying from the side of the road.
Then you see in an instant that your whole life has changed.
Everything gone, all the plans rearranged.
    Eines Nachts kommt ein Anruf,
und im ersten Moment begreifst du nicht,
was die Polizei dir vom Straßenrand aus mitteilt.
Dann wird dir urplötzlich klar,
dass dein ganzes Leben sich soeben verändert hat.
Alles ist dahin, alle Pläne auf den Kopf gestellt.
    Stand ihr das bevor? Hatte es sich bereits verändert, das Leben, auf das sie leise gehofft hatte – für sich selbst, für ihre Kinder und Jon Boling?
    Und wo, dachte sie mit einem Anflug von Bitterkeit, ist mein Schatten, der auf mich aufpasst und dem ich wichtig bin?

38
    Ein angenehmer, wenngleich heißer Septemberabend in Fresno.
    Im Tower District war nicht viel los. An der Kreuzung Olive und Wishon Avenue stand hier ein berühmtes Art-déco-Theater, das tatsächlich einen – wenn auch bescheidenen – Turm vorweisen konnte. Benannt worden war das Viertel aber vermutlich nach einem anderen Turm in einiger Entfernung.
    Die Anwohner kehrten soeben von einem frühen Abendessen in einer mexikanischen Taqueria oder einem Boutiquencafé zurück, oder sie besuchten Kunstgalerien, Tätowierstudios, Discountläden und Ethno-Bäckereien. Manche gingen vielleicht ins Kino, einen Comedy Club oder ein Gemeindetheater. Es war nicht San Francisco, aber man kam auch nicht wegen der Kunst, Musik oder Literatur nach Fresno, sondern um hier zu arbeiten und eine Familie zu gründen, und an Kultur nahm man mit, was die Stadt eben zu bieten hatte.
    Heute Abend kurvten halbwüchsige Jungen mit ihren aufgemotzten Subarus und Saturns durch die Straßen und genossen die letzten freien Tage ohne Hausaufgaben.
    Heute Abend tauschten Mädchen hier den neuesten Klatsch aus, rauchten heimlich Zigaretten, schauten verstohlen zu den Jungen, hielten sich stundenlang an ihren Limonaden fest und plauderten über Klamotten und den bevorstehenden Schulbeginn.
    Und Kayleigh Towne war heute Abend hergekommen, um einen Mann zu töten.
    Sie hatte diesen Vorsatz wegen einer bestimmten Person gefasst: Mary-Gordon Sanchez, das kleine Mädchen, das von Edwin Sharp – was auch immer die Polizei dazu sagte – entführt worden war.
    O Gott, war sie wütend.
    Kayleigh hatte sich immer darauf gefreut, selbst Mutter zu sein, aber diese Pläne waren durch ihren eigenen Vater bis auf Weiteres durchkreuzt worden, denn nach Bishops Ansicht vertrug eine Karriere sich nicht mit einem Familienleben.
    Verdammt, KT, du bist doch selbst noch ein Kind. Warte ein paar Jahre. Wozu die Eile?
    Kayleigh hatte mitgemacht, doch ihr Kinderwunsch war nur noch stärker geworden.
    Und die Vorstellung, dass Mary-Gordon sich in Gefahr befunden hatte – und womöglich irgendwann wieder gefährdet sein würde –, war schlichtweg unerträglich.
    Edwin Sharp war fällig.
    Das Sheriff’s Office wollte nichts unternehmen. Also würde Kayleigh eigenhändig dafür sorgen.
    I’d prefer together, I’d hoped for two not one.
You and me forever, with a daughter and a son.
It was tough that didn’t work out, but now it’s plain to see:
When it comes to things that matter, all I really need is me.
    Gemeinsam wäre es mir lieber gewesen,
und ich hätte mir zwei gewünscht, nicht nur eines.
Du und ich für immer, mit einer Tochter und einem Sohn.
Es war schlimm, dass es nicht geklappt hat,
doch inzwischen weiß ich:
Wenn es um wirklich wichtige Dinge geht,
komme ich auch allein damit klar.
    Kayleigh Towne hatte diese Zeilen schon vor Jahren geschrieben, und sie gingen ihr nun durch den Kopf, als sie aus dem SUV stieg. Darthur Morgan hatte in der Olive Avenue angehalten, vor einem Gebäude im viktorianischen Stil. Es war die Parker Hall, ein kleiner Theater- und Vortragssaal aus dem neunzehnten Jahrhundert. Auf einer kleinen Messingtafel stand:
    KAYLEIGH, UNSER HOME »TOWNE« GIRL,
HAT HIER IHR ERSTES KONZERT GEGEBEN.
    Sie war damals dreizehn gewesen. Das mit dem »ersten

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