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Die Angebetete

Die Angebetete

Titel: Die Angebetete Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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betrachtete sie nun auch Edwin Sharp.
    Nicht als einen Menschen, sondern als einen räudigen Kojoten.
    Sie zerriss die Verpackung des Messers sowie den Kaufbeleg, betrat eine Personaltoilette und spülte alles im Klo hinunter.
    Ja, sie war entschlossen. Aber auch höllisch nervös.
    Wo bleibt dieser Wichser? Ist er abgehauen?
    Nein, das würde er natürlich niemals tun. Denn Kayleigh, das Zentrum seines Universums, hatte ihn vor einer halben Stunde angerufen – von einem Münzfernsprecher in dem Krankenhaus, in dem Sheri untersucht und aus dem sie dann entlassen worden war. Sie hatte ihn gebeten, sich hier mit ihr zu treffen. Der ausgestopfte Mammutbaum, den Edwin und Mary-Gordon in dem Museum für sie ausgesucht hatten, besaß ein Etikett. Und auf dieses Etikett hatte Edwin eine Telefonnummer geschrieben. Und die Worte: »Ruf mich an.«
    Sie hatte das Ding gestern beinahe weggeworfen, sich dann aber anders entschieden – weil ihr die Nummer aufgefallen war und sie auf die zunächst noch unausgegorene Idee zu diesem Plan gebracht hatte.
    Nun stand sie am schmutzigen Fenster der Hintertür zur Laderampe und wischte sich die Hände an der Jeans ab. Dann tauchte endlich Edwin Sharp auf, kam völlig unbekümmert in seiner gruseligen Gangart dahergeschlendert. Als würden die Morde und Entführungen ihn nichts angehen.
    Er steuerte geradewegs die Laderampe des Vortragssaals an und hatte seine Kamera dabei. Dann blieb er stehen und schoss einige Bilder. Falls er auch Kayleigh fotografierte, würde sie die Kamera mitnehmen und entsorgen müssen.
    Vergiss das bloß nicht.
    Kayleigh atmete tief durch. Unter dem dicken Stoff ihrer Jacke konnte sie das Messer in der Innentasche spüren. Und an ihrem Bauch den Revolver.
    Not you, not him, not her, not them. In the end we’re all alone.
Whatever’s needing to get done, I can do it on my own.
That’s all I need, just me.
    Weder du noch er, noch sie, noch sonst wer. Letztendlich sind wir alle auf uns selbst gestellt.
Was auch immer zu tun ist, ich kriege das allein hin.
Mehr brauche ich nicht, nur mich selbst.

39
    Durch die dreckige Scheibe konnte sie den Blitz der Kamera sehen, als Edwin Sharp seinen Schrein im Bild festhielt. Die Reise nach Fresno musste für ihn nämlich wie eine Art Pilgerfahrt gewesen sein.
    Ihre Hände und Stirn schwitzten immer mehr, ihr Herz klopfte vivace .
    Ruhig, Mädchen, du kannst das. Denk an alle, die sich in Gefahr befinden.
    Denk an Mary-Gordon, denk an Sheri.
    Er ist ein tollwütiger Kojote, mehr nicht.
    Sie hielt inne. Nein, tu das nicht. Sieh zu, dass du von hier verschwindest! Bevor du dir dein ganzes Leben versaust.
    Doch Kayleigh Towne beschloss: Ich krieg das hin, ich krieg das hin. Für meine Schwester, für Mary-Gordon, für alle anderen, die gefährdet sind.
    Für mich.
    Your shadow …
    Sie trat hinaus auf die Laderampe. Edwin drehte sich um und verzog sein Gesicht zu diesem schiefen Lächeln. Sie nickte vorsichtig und schaute hinab auf den bröckelnden Asphalt, in dessen Rissen trockenes Unkraut wuchs. Ein weiteres kurzes Nicken. Als wäre sie schüchtern, als wäre sie unschlüssig.
    Als wäre sie harmlos.
    »Ich kann’s gar nicht fassen.« Er sah an ihr vorbei und nach links und rechts. Kein Darthur Morgan. »Du bist allein?«
    »Ja. Nur ich.«
    »Wo ist Darthur?«
    »Ein Stück die Straße hinauf. Ich bin ihm entwischt.«
    »Gut«, sagte er und blickte an dem Theater empor. »Weißt du, ich wünschte, dein Auftritt damals wäre aufgezeichnet worden. Dreizehn Jahre alt und das Publikum hat dir aus der Hand gefressen. Die anderen Schüler haben niemanden interessiert. Das warst nur du. Nur du, Kayleigh.«
    Nur eine einzige der kleinen Lokalzeitungen hatte über die Veranstaltung berichtet. Er musste dort davon gelesen haben.
    Edwin folgte ihr hinein.
    »Wir haben vor, hier demnächst ein Konzert aufzunehmen.«
    »Ein Video. Cool! Hervorragend. Wann?«
    »Das wissen wir noch nicht genau.«
    »Als Reminiszenz an dein erstes Konzert? Das wäre echt super. Du musst mit ›Walking After Midnight‹ eröffnen. Genau wie damals.«
    Herrje, das wusste er auch?
    Edwin musterte sie erneut. »Wow, du siehst heute sensationell aus. Dein Haar … es ist so wunderschön. Nach deiner Stimme mag ich dein Haar vermutlich am meisten an dir.«
    Kayleigh kämpfte um ihre Selbstbeherrschung, denn ihr fiel seine Bitte ein, sie möge ihm eine Haarsträhne schicken. Oder besser noch, Haare von ihrem Kissen. O mein Gott …
    »Ich habe nicht viel

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