Die Angebetete
ich würde niemandem je etwas antun, der dir nahesteht. Das ist alles gelogen.«
Erschieß ihn!, forderte sie sich auf. Und doch blieb ihr Finger außerhalb des Abzugsbügels. Die Waffe wankte einen Augenblick, dann stieß Kayleigh sie entschlossen nach vorn. Edwin Sharp verzog keine Miene.
»Und du hast meine Schwester und meine Nichte entführt .«
»Ich habe ihnen vielleicht das Leben gerettet . Wegen Richies Fahrkünsten, genau wie ich gesagt habe.«
Sie sah sich um, hielt die Waffe aber ruhig.
»Du bist eine kluge Frau, Kayleigh.«
Und sie musste unwillkürlich an ein kürzliches Gespräch mit ihrem Vater denken, der sie ein »kluges Mädchen« genannt hatte.
»Du hast mich von einem Münzfernsprecher aus angerufen, aber hat jemand dich dort womöglich gesehen? Der Anruf ist in den Verbindungsnachweisen meines Mobiltelefons verzeichnet. Der Ursprungsort wird sich leicht feststellen lassen. Und ich bin sicher, du hast Handschuhe oder ein Papierhandtuch benutzt, als du das da angefasst hast.« Ein Blick auf das Messer. »Und vermutlich hast du es in einem Laden mit Selbstbedienungskasse gekauft. Aber die werden es zu dir zurückverfolgen, Kayleigh. Das ist deren Beruf.«
»Halt die Klappe! Ich werde dich töten!«
Er musterte das Messer. »Es ist neu, also werden sie alle Geschäfte der Stadt überprüfen, die diese Marke führen. Allzu viele dürfte es nicht davon geben. Du hast gewiss bar bezahlt, aber sie brauchen sich bloß alle Barverkäufe dieses speziellen Messermodells der letzten Tage anzusehen. Sie werden schnell auf den genauen Laden und sogar die genaue Kasse stoßen, denn du hast wahrscheinlich nur diesen einen Artikel gekauft, richtig? Damit ist die Sache klar. Sie werden sich einen Gerichtsbeschluss holen und das Bargeld konfiszieren, das in der Selbstbedienungskasse gelandet ist. Dann nehmen sie von allen Scheinen die Fingerabdrücke und verfolgen die Seriennummern zurück zu den Zwanzigern, die du aus einem Geldautomaten gezogen hast. Weißt du, das wird nämlich alles registriert.«
Das wird es natürlich nicht!
Oder doch?
Hör nicht auf ihn. Schrei um Hilfe und drück dann ab.
»Es könnte sogar ein Video oder Foto des Selbstzahlungsvorgangs geben. Nach fünf Minuten haben sie dich mit dem Messer in Verbindung gebracht. Und in der Zwischenzeit werden die Neulinge unter den Deputys in der Gegend hier den Müll durchsuchen und nach Tüten, der Verpackung und dem Kaufbeleg Ausschau halten.« Er sah die Toilette, die fortwährend tröpfelte, bis der Wasserbehälter sich neu füllte. »Oder die Abflussrohre hier. Sie werden dich in einen Verhörraum stecken, und Kayleigh, du bist ein so guter und aufrichtiger Mensch, du hältst das nicht durch. Innerhalb von zehn Minuten haben sie dein Geständnis. Pike Madigan wird es widerstreben, aber ihm bleibt keine andere Wahl.« Er sah auf ihre Hand. »Darfst du überhaupt legal eine versteckte Waffe tragen?«
Ich kriege das allein hin.
Wohl doch nicht.
Ich bin ein verdammter Feigling.
Die Waffe senkte sich.
»Oh, Kayleigh, die haben dir eine so gründliche Gehirnwäsche verpasst. Nicht ich bin der Feind. Die sind der Feind. Hier, ich lege das Messer jetzt hin.« Er wischte seine Fingerabdrücke mit dem Ärmel ab und legte es auf den Boden. »Nun gibt es keine Verbindung mehr zwischen uns. Du kannst es mitnehmen und benutzen oder wegwerfen. Das hier ist nie geschehen.«
Er klang so ehrlich. Kayleigh wünschte, Kathryn Dance wäre hier, um sich den Stalker anzusehen und mit einem Nicken zu bestätigen, dass er die Wahrheit sagte, oder mit einem Kopfschütteln, dass er log. Er wich zurück, und sie trat vor, hob das Messer auf und steckte es wieder in die Innentasche ihrer Jacke.
»Denk über Folgendes nach, Kayleigh: Ja, du wirst gestalkt. Aber nicht von mir. Vielleicht sind es die Reporter und Fotografen. Vielleicht ist es dein Vater . Er behauptet, er wolle dein Bestes, aber stimmt das auch? Ich bin mir da nicht so sicher. Und was ist mit den anderen? Zum Beispiel mit, keine Ahnung, Alicia, Tye Slocum – oh, auf den musst du achtgeben. Mir ist aufgefallen, wie er dich ansieht. Und Barry Zeigler. Er hat dich ganz schön fest im Griff. Welche großen Namen kann das Label denn außer dir schon vorweisen? Neil Watson, aber ich bitte dich, der wirkt doch wie eine schlechte Coverversion seiner selbst. Und wer ist sonst noch da draußen und beobachtet dich und spioniert dir hinterher? Fans und Fremde. Leute, die nicht mal deine Musik kennen,
Weitere Kostenlose Bücher