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Die Angst der Boesen

Die Angst der Boesen

Titel: Die Angst der Boesen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristina Dunker
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aufgelegt.
    »Die Steigung mit dem Rad raufzustrampeln ist sicher sehr schweißtreibend. Machst du viel Sport?«
    »Geht so.«
    »Fußball?«
    Paul lachte ein bisschen. »Nein. Alles, aber keinen Fußball. Jedenfalls nicht hier bei uns im Verein. Sie müssten mal sehen, was da für Assis hingehen. Lauter Leute wie Sven Lange.«
    »Ist das nicht der Junge, der vor die Bahn geschubst worden ist?«
    »Sie wissen davon?«
    »Das kam im Radio.«
    »Ach so, klar. An der Schule war heute Morgen auch die Presse. Bei uns im Ort passiert so was nicht alle Tage.«
    »Aber du kanntest Sven?«
    »Der ging auch in meine Klasse.«
    »War aber nicht dein Freund.«
    Paul schüttelte heftig den Kopf. »Nee. Sven war ’n Monster. Man soll das ja nicht sagen über Tote, aber es war so.«
    Nolte gab einen Bestätigungsschnaufer von sich. »Damit hab ich kein Problem. Ich bin der Meinung, dass man die Dinge ruhig beim Namen nennen soll. Wenn einer ein Arschloch ist, muss man ihn so nennen dürfen. Und wenn einer Mist baut, muss er eben dafür büßen, egal, wie schwierig seine Kindheit war, und egal, wie trostlos seine Zukunft sein wird.«
    Paul sagte nichts. Nolte fuhr einen heißen Reifen. Fast schien es ihm, als würde er mehr Gas geben, desto mehr er sich in Rage redete.
    »Ich halte nichts von Kuschelpädagogik. Man sieht doch, wohin das führt. Man traut sich ja nachts nicht mehr allein auf die Straße oder in die U-Bahn.«
    »Hier hätten Sie links gemusst.«
    »Ach ja, verdammt. Fahren wir eben die Umgehungsstraße, da kenne ich mich besser aus.«
    »Warum sind Sie eigentlich ausgerechnet hierher gekommen?«, fragte Paul. »Es gibt doch wirklich schönere Gegenden als unsere. Wenn ich könnte ... ich würde sofort hier abhauen.«
    »Da hast du recht.«
    »Also, wieso sind Sie ...«
    »Und wieso willst du weg?«, unterbrach ihn Nolte, drosselte das Tempo und beugte sich weit über das Lenkrad, als horche er auf einen Motorschaden. »Sag, warum willst du weg? Sven ist doch tot. Wer soll dich jetzt noch ärgern?«
    Paul zuckte die Achseln. »Wie wär’s mit seinen Freunden?«
    »Und die wären?«
    Paul stutzte. Nolte stellte merkwürdige Fragen und hatte einen noch auffälligeren Fahrstil. Jetzt schlichen sie mit weniger als 30 km/h durch die Landschaft, obwohl hier 70 erlaubt waren.
    »Und die wären?«, wiederholte Nolte.
    »Alle möglichen. Wieso interessiert Sie das?«
    »Es interessiert mich nicht«, entgegnete Nolte, »ich wollte nur das Gespräch in Gang halten.«
    Genau das war ihm aber nicht gelungen. Paul schwieg und sah aus dem Fenster. Nolte fuhr untertourig und höchstens Schrittgeschwindigkeit. Paul wäre mit dem Rad schneller gewesen, zumal sie diesen dämlichen Umweg über die Umgehungsstraße nahmen. Sie fuhren ganz außenrum, durch den kleinen Stadtwald und am vor Jahren geschlossenen Freibad vorbei.
    Plötzlich spürte Paul, wie ihn der Mieter von der Seite ansah. Er drehte den Kopf. Tatsächlich: Ihre Blicke begegneten sich.
    »Was glotzen Sie mich so an?« Paul reagierte barscher, als es sonst seine Art war. Vielleicht lag es an dem unguten Gefühl, das sich bei ihm einschlich. »Ich dachte, Sie haben ein Problem mit dem Auto. Mit wem hatten Sie eigentlich den Unfall? Hat der andere Wagen auch was abgekriegt?«
    »Es war kein Wagen im Spiel. Es ging nur um Müll.«
    »Eine Mülltonne?«
    Nolte antwortete nicht direkt, wiederholte nur ernst undmit zusammengebissenen Zähnen: »Ich habe es doch gesagt: Müll. Nichts als Dreck und Müll.«
    Pauls Unbehagen wuchs. Er war sich sicher, hier etwas ganz Wichtiges nicht zu verstehen. Wovon redete Nolte?
    Aufs Geratewohl sagte Paul: »Sven Lange hat auch immer gern Mülltonnen umgetreten. In so was war er groß. Vandalismus, Schwache ärgern, Leute fertigmachen, die anders sind ...«
    Während Paul redete, fühlte er noch immer Noltes forschenden Blick auf sich. Dennoch spürte er, wie die Spannung zwischen ihnen nachließ. Nolte sah ihn wieder freundlicher an.
    »Du musstest sicher einiges durchmachen.«
    »Na ja.«
    »Spiel es nicht herunter. Ich weiß, wie weh das tut. Ich kann mir gut vorstellen, wie es dir ergangen ist, einem wehrlosen Jungen.« Er machte eine Pause. »Ich hatte einen Sohn.«
    »Hatte? Was ist mit Ihrem Sohn?« Kaum hatte Paul die spontane Frage gestellt, biss er sich auf die Zunge. An Noltes leidendem Gesichtsausdruck sah er, dass die Antwort nicht erfreulich sein würde. Woran erinnerte ihn dieses Gesicht eigentlich? Plötzlich sagte Paul sein

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