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Die Angst der Boesen

Die Angst der Boesen

Titel: Die Angst der Boesen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristina Dunker
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Instinkt, dass er extrem vorsichtig sein musste. Er war in Gefahr, das wusste er jetzt so sicher, dass er sich wunderte, warum es so lange gedauert hatte, bis er misstrauisch geworden war. Nolte verhielt sich in jeder Beziehung verdächtig. Mit ihm war etwas faul. Das konnte man riechen .
    Mit geschärften Sinnen roch Paul ihn jetzt wieder, und diesmal stärker als zuvor: den käsigen, ranzigen, sauren Pennergestank. Das letzte Mal, dass diese Mischung seine Nase strapaziert hatte, war gerade mal drei Wochen her. Und das Gesicht des jungen Mannes ...
    »Ihr Sohn ...«, begann er und unterbrach sich dann selbst, sprachlos vor Entsetzen.
    »Mein Sohn ist tot.«
    Als hätte Nolte voraussehen können, dass Pauls rechte Hand nach dem Türgriff suchen und seine linke unauffällig zum Verschluss des Anschnallgurts wandern würde, gab er wieder Gas.
    »Mein Sohn«, sagte er und Paul merkte, dass Nolte nicht beschleunigte, um ihn am Herausspringen zu hindern, sondern weil er so aufgewühlt war. Er redete mehr zu sich selbst, schien für einen Moment fast vergessen zu haben, dass Paul neben ihm saß. »Mein Sohn war ein guter Junge. Nett und gut erzogen. Bis er diese Marie kennengelernt hat. Ein Dreck, dieses Mädchen. Aufsässig, frech und scheußlich anzusehen – punkig, runtergekommen, tätowiert, sogar die Zunge voller Metall. Mit der fing es an: Partys, Drogen, Alkohol und schließlich das Leben auf der Straße. Bis dahin war mein Martin auch so einer, der sich abends allenfalls aus dem Haus geschlichen hätte, um weinende Mitschülerinnen im Krankenhaus zu trösten. Was anderes hätte er nicht gewagt. Moment mal! Wie heißt sie eigentlich, deine ...?«
    »Meine w-was?« Paul musste sich jetzt an die Halteschlaufe klammern, weil Nolte scharf um eine Kurve preschte. Nur gut, dass ihnen um diese Zeit kein Wagen mehr entgegenkam. Allerdings war hier auch nirgends Hilfe zu erwarten. Das nächste Haus war ewig weit entfernt.
    »Deine Freundin, die du treffen willst? Wie heißt sie?«
    Paul zögerte keine Sekunde mit der Notlüge. »Ebru.«
    Nolte grunzte. »Emu? Wie das Tier? Türkin oder was? Und die hat ihn gefunden, diesen Leon?«
    »Ja. Ebru wollte sich mit Lilly und Tatjana an der Gedenkstelle für Sven treffen und da hat sie ihn gefunden.«
    »Türkin«, schnaubte Nolte. »Dass die nachts überhaupt rausdarf.« Abrupt lenkte er den Wagen in eine Haltebucht und bremste, sodass Paul nach vorn fiel. »Aber ich will dir mal glauben, dass du nicht zu den Bösen gehörst.« Er packte Pauls Handgelenk, als der den Gurt lösen wollte. Paul versuchte sich zu befreien, steckte in Noltes Klammergriff aber fest wie in einem Schraubstock.
    »Keine Angst«, befahl Nolte, »du stehst nicht auf meiner Liste. Ich tu dir nichts. Aber du bist in der Klasse, du kennst sie alle. Vielleicht weißt du den einen Namen, der mir noch fehlt. Außerdem kann ich nicht riskieren, dass du quatschst, bevor ich mit meiner Sache fertig bin.« Er grinste mit gebleckten Zähnen. »Dafür hast du doch Verständnis, oder?«
    »Hören Sie«, stammelte Paul, »ich weiß gar nicht, wovon Sie reden.«
    »Doch, doch, das weißt du.« Nolte quetschte seinen Arm so fest, dass Paul hätte schreien können. Der würde keine Skrupel haben, ihm die Knochen zu brechen, wenn er versuchte, sich loszumachen. »Ich vermute, dass du in meiner Wohnung warst. Du bist neugierig, genau wie deine Mutter. Und deshalb wirst du eine Weile von der Bildfläche verschwinden.«
    »Nein!« Paul sah die schwere Taschenlampe kommen und duckte sich, aber auch mit dem linken Arm schlug Nolte kräftig und geschickt zu.
51
    Lilly war wie betäubt. Damit hatte sie nicht gerechnet. So etwas konnte und durfte nicht passieren. Sie lag in den Armen ihrer weinenden Mutter und blickte über derenzuckende Schulter hinweg auf den Eingangsbereich des Krankenhauses. Levent röchelte, als hätte er eine Fischgräte im Hals, fuhr sich mehrmals verschämt übers Gesicht, um danach umso heftiger an seiner Zigarette zu ziehen. Auch die anderen Menschen hier, lauter scheintote, bleiche Bademantelträger, rauchten. Dabei gafften sie Lilly und ihre Mutter wissend an – und den Mann, der jetzt mit hochrotem Kopf aus dem Eingangsbereich gestürmt kam.
    »Das halte ich nicht aus«, rief Georg, »das packe ich nicht. Das kann doch nicht sein!«
    Ihm folgte seine Exfrau, auch sie verweint und völlig aufgelöst.
    »Warte, Georg! Wir wollen doch noch mal zu ihm. Bitte, das bist du mir schuldig. Ich schaffe das nicht

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