Die Angst der Woche
Bonn 2003
Umweltbundesamt: Rund um das Trinkwasser , Bonn 2011
4 Die Prinzessin auf der Erbse â oder: Geht es uns vielleicht zu gut?
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»Fischer klagen über sauberen See.«
Hannoversche Allgemeine Zeitung
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»Es war einmal ein Prinz, der wollte eine Prinzessin heiraten, aber es sollte eine wirkliche Prinzessin sein.« So beginnt das Märchen »Die Prinzessin auf der Erbse« von Hans Christian Andersen.
»Da reiste er in der ganzen Welt herum, um eine solche zu finden, aber überall war da etwas im Wege. Prinzessinnen gab es genug, aber ob es wirkliche Prinzessinnen waren, konnte er nicht herausbringen, immer war etwas, was nicht in der Ordnung war. Da kam er wieder nach Hause und war ganz traurig, denn er wollte doch gern eine wirkliche Prinzessin haben.
Eines Abends zog ein furchtbares Wetter auf; es blitzte und donnerte, der Regen stürzte herunter, es war ganz entsetzlich. Da klopfte es an das Stadttor, und der alte König ging hin, aufzumachen.
Es war eine Prinzessin, die drauÃen vor dem Tore stand. Aber wie sah sie vom Regen und dem bösen Wetter aus! Das Wasser lief ihr von den Haaren und Kleidern herunter und lief in die Schnäbel der Schuhe hinein und aus den Hacken wieder heraus, und sie sagte, dass sie eine wirkliche Prinzessin sei.
âºJa, das werden wir schon erfahren!â¹, dachte die alte Königin, aber sie sagte nichts, ging in die Schlafkammer hinein, nahm alle Betten ab und legte eine Erbse auf den Boden der Bettstelle. Darauf nahm sie 20 Matratzen, legte sie auf die Erbse, und dann noch 20 Eiderdaunenbetten oben auf die Matratzen.
Da sollte nun die Prinzessin die ganze Nacht liegen.
Am Morgen wurde sie gefragt, wie sie geschlafen habe.
âºO, schrecklich schlecht!â¹, sagte die Prinzessin. âºIch habe meine Augen die ganze Nacht nicht geschlossen! Gott weiÃ, was da im Bette gewesen ist. Ich habe auf etwas Hartem gelegen, sodass ich ganz braun und blau über meinem ganzen Körper bin! Es ist ganz entsetzlich!â¹
Nun sahen sie wohl, dass es eine wirkliche Prinzessin war, da sie durch die 20 Matratzen und die 20 Eiderdaunenbetten die Erbse verspürt hatte. So empfindlich konnte niemand sein auÃer einer wirklichen Prinzessin.
Da nahm der Prinz sie zur Frau, denn nun wusste er, dass er eine wirkliche Prinzessin besitze, und die Erbse kam auf die Kunstkammer, wo sie noch zu sehen ist, wenn sie niemand genommen hat.«
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In gewisser Weise sind wir alle Prinzessinnen. Wir, das sind die glücklichen Bewohner entwickelter, reicher Industrieländer des 21. Jahrhunderts. Wir leben im Durchschnitt länger als je zuvor, die heute geborenen deutschen Kinder können mit einer beträchtlichen Wahrscheinlichkeit damit rechnen, über 100 Jahre alt zu werden. Sauberes Trinkwasser für alle ist im Ãberfluss vorhanden, man benutzt es sogar, um Golfplätze damit zu wässern. Die groÃen Seuchen wie Typhus, Cholera und Pest sind lange besiegt, die meisten lebenden Mitteleuropäer haben seit ihrer Geburt keinen Krieg mehr erlebt, und selbst die von der Arbeitslosigkeit Betroffenen verfügen heute über einen Lebensstandard, der denjenigen ihrer GroÃeltern um ein Vielfaches übertrifft. Da kann man es sich schon einmal leisten, wegen einigen Billionstel Gramm Dioxin im Frühstücksei eine kleine Luxusbarrikade zu besteigen.
Zum ersten Mal seit Beginn der Menschheitsgeschichte muss man sich nicht mehr, wie noch Jahre nach dem Krieg in Deutschland, um das nackte Ãberleben sorgen. Noch vor 60 Jahren sind Hunderttausende von Menschen in Deutschland hungers gestorben; im sogenannten Hungerwinter 1947 zählte man allein im Ruhrgebiet über 20 000 Hungertote: »Zu essen gab es oft nur drei Scheiben Brot, eine Tasse GrieÃ, manchmal einen Klecks Butter. Egal ob Ost oder West, Nahrungsmittel waren überall knapp. Und es war keine Besserung in Sicht. Die Keller waren leer, geerntet wurde im Herbst, und der Ertrag war nur die Hälfte der Vorkriegsmenge. Der Bombenkrieg hatte Städte zerstört, Versorgungs- und Transportwege abgeschnitten. Millionen Menschen irrten durch die vier Besatzungszonen. Im Februar lag der Kälterekord in einigen Regionen bei minus 29 Grad. Die Menschen starben an Unterernährung und Kälte« (Die Welt) .
»In Hamburg hausten mehr als 50 000 Menschen in Notquartieren, davon sehr viele noch in Nissenhütten,
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