Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Angst der Woche

Die Angst der Woche

Titel: Die Angst der Woche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Krämer
Vom Netzwerk:
gesunken.
    Seit der Wiedervereinigung ebenfalls noch weiter zurückgegangen ist die Luftverschmutzung. Die jährliche menschengemachte Emission von Luftschadstoffen aller Art hat sich in Deutschland seit 1990 mehr als halbiert; bei Kohlenmonoxid von elf Millionen auf unter vier Millionen Tonnen, bei Stickoxiden von fast drei auf eine Million Tonnen, bei Schwefeldioxid von über fünf auf weit unter eine Million Tonnen, bei Feinstaub von fast zwei Millionen auf weniger als 300 000 Tonnen und so weiter. Was auch immer an Schadstoffen unsere Amtsstatistiker in Wiesbaden messen – Ammoniak, Kohlendioxid, Methan oder flüchtige organische Verbindungen aller Art –, die Belastung geht seit Jahrzehnten in die gleiche Richtung, nämlich monoton zurück.
    Ebenso die Belastung unserer Gewässer. Im Bodensee sind die Phosphatwerte – der wichtigste Gradmesser für die Wasserqualität – mit 8 Mikrogramm pro Liter heute so niedrig wie zuletzt vor 50 oder 60 Jahren. Noch in den 80er-Jahren drohte der See aufgrund eines weitgehend ungeregelten Zuflusses von Wasch- und Düngemitteln umzukippen. Heute ist er so sauber, dass die Wasseralgen nicht mehr genug Nährstoffe finden, weshalb auch die davon lebenden Millionen Kleintiere vom Wasserfloh bis zum Krebs verhungern, und somit auch die Fische im Bodensee – die werden aufgrund des sauberen Wassers immer weniger, die Bodenseefischer steigen auf die Barrikaden.
    Und auch die Schadstoffbelastung von Blut, Urin und Muttermilch wird von Jahr zu Jahr geringer. Noch Heinrich Heine ist, wenn man den labortechnischen Analysen einer überlieferten Haarlocke vertrauen darf, an Bleivergiftung gestorben, vermutlich durch verseuchtes Trinkwasser, das drohte vor 150 Jahren vielen Menschen links und rechts des Rheins. Noch in den 80er-Jahren des 20. Jahrhunderts enthielt ein Liter deutsches Durchschnittsblut mehr als 80 Mikrogramm Blei – heute sind es weniger als 30. Der PCB-Gehalt pro Liter Blut ist von 40 Mikrogramm auf unter 10, der Cadmiumgehalt im Urin von 1,5 Mikrogramm auf unter 0,3 Mikrogramm gesunken, und Dioxin und DDT sind in der Muttermilch mit weniger als der Hälfte der Mengen enthalten, die noch vor 30 Jahren nachgewiesen wurden.
    Aber unsere subjektive Empfindlichkeit nimmt trotzdem eher zu.
    Kürzlich hat eine deutsch-französische Expertenkommission einmal versucht, diese Besserung unserer Lebensumstände in nochmals andere Zahlen zu fassen, als Reaktion auf die immer wieder aufkommende Kritik, die üblichen Wohlstandsmaße wie Bruttosozialprodukt oder Volkseinkommen zielten am wahren Wohl der Menschen vorbei. Wie die Kommission feststellen musste, geht es jedoch auch abseits von Geld und Sozialprodukt den Menschen in Deutschland und Frankreich immer besser. In beiden Ländern nimmt die Lebenserwartung in jeder Dekade weiter zu, in Deutschland etwa von 65 Jahren für Männer und 69 Jahren für Frauen im Jahr 1950 auf 77 Jahre für Männer und 82 Jahre für Frauen im Jahr 2010; diese Zahlen werden nach Einschätzung des Statistischen Bundesamtes bis 2050 auf 84 und 88 Jahre steigen. Und auch ein damit verwandter Indikator, die verlorenen Lebensjahre, die seit einigen Jahren von der OECD erfasst werden, zeigt eine monotone Verbesserung an. Danach ist in Deutschland die Differenz zwischen 70 und dem Alter des Todes von über 5000 pro Hunderttausend Verstorbene im Jahr 1990 auf rund 3000 im Jahr 2006 gesunken.
    Ganz gleich, welches Maß man nimmt – es geht uns immer besser. Ein weiterer international sehr gut vergleichbarer, da perfekt messbarer Wert ist die Belastung durch Feinstaub, definiert als Partikel mit einem Durchmesser von weniger als 10 Mikrometern (1 Mikrometer = 0,001 mm). Diese Belastung wird zum Teil mehrmals täglich an mehreren Stellen in fast allen deutschen Städten gemessen und lag 1999 bei uns im Durchschnitt bei 30 Mikrogramm pro Kubikmeter Atemluft. Zehn Jahr später betrug die Belastung weniger als 20 Mikrogramm.
    Â 
    Â 
    Wohin man blickt, worauf man hört – in den 200 000 Jahren, seit es die Spezies Homo sapiens als eigenständige Tierart gibt, ging es uns noch nie so gut. Aber der nackte Affe hat Angst wie nie zuvor, er sorgt sich um Kinkerlitzchen aller Art, er spürt der Erbse unter 20 Eiderdaunenbetten nach. Oder wie sonst ist es zu erklären, dass heute allenthalben

Weitere Kostenlose Bücher