Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Angst der Woche

Die Angst der Woche

Titel: Die Angst der Woche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Krämer
Vom Netzwerk:
durch deren Ritzen und Fugen der Fertigbauteile der eiskalte Wind fast ungehindert zog«, berichten Alexander Häusser und Gordian Maugg in ihrem Buch Hungerwinter. »Beim Heizen bildete sich an den Wellblechverkleidungen, den einfachen Fenster- und Türverglasungen Kondenswasser, das über Wände und Möbel bis auf den Fußboden floss und bei Abkühlung alles mit Glatteis überzog. Dasselbe passierte in den Wohnungen, wenn die Wasserleitungen einfroren und platzten. Jede vierte Hauswasserleitung in Hamburg war eingefroren. Zu Beginn des Jahres 1947 gab es kaum noch Zuteilungen von Heizmaterial, alles war aufgebraucht.«
    Â»Auf den Bettdecken bildete sich Eis«, berichtet ein Zeitzeuge. »Nur in der Küche war der Herd heiß. Die Kohlezuteilung war ja mehr als dürftig. Wir hatten einen Grudeofen, der war verbreitet damals, eine Art Blechschrank in Tischhöhe mit verschiedenen Einschüben: für das Glutbett zum Kochen, zum Warmhalten und zur Lagerung des Grudekokses. Er bestand aus Rückständen der Braunkohleverarbeitung, für die es sonst keine Verwertung gab, pulvriges Zeug, das langsam brannte und ruhig glimmte. Wir haben im Wald auch Stubben, also Baumwurzeln, geholt – die machten dreimal warm: beim Ausgraben, beim Zerkleinern und schließlich beim Heizen.«
    Â»â€¦Â wir haben uns Lappen um die Füße gemacht, damit’s beim Gehen draußen nicht so wehtat.«
    Und dazu der Hunger. »Ich erinnere mich, dass wir Insulin für die zu behandelnden Diabetiker brauchten; das stellte eine Firma aus den Bauchspeicheldrüsen von Schweinen her«, erinnert sich ein Arzt. »Doch das Präparat, das wir geliefert bekamen, zeigte keine Wirkung. Es stellte sich heraus, dass die Mitarbeiter der Herstellerfirma in ihrer Hungersnot die Bauchspeicheldrüsen aufgegessen hatten.«
    Die Arbeiter hatten die Bauchspeicheldrüsen aufgegessen!
    Damals aß man alles, was Kalorien hatte und sich schlucken ließ. Heute stapeln sich in unseren Buchhandlungen die Ratgeber zum Abnehmen. Ich habe einmal bei Amazon recherchiert – derzeit sind dort 16 187 deutschsprachige Bücher zum Thema Diät im Angebot: Die einfachste Diät der Welt: Das Plus-Minus-Prinzip (19,99 Euro), Wenn jede Diät versagt: Wie ich 70 Kilo abgenommen habe (17,90 Euro), Die ultimative New York Diät (19,90 Euro), Schlank im Schlaf für Berufstätige (14,99 Euro), BRIGITTE Ideal-Diät (16,90 Euro), GLYX-DIÄT  – Das Kochbuch (12,90 Euro), Fit und schlank durch Metabolic Power (19,95 Euro), Die Lauf-Diät: richtig essen – richtig laufen (14,95 Euro), Die neue Atkins-Diät: Abnehmen ohne Hunger (11,00 Euro), Der Diät-Coach: Intelligent abnehmen für Individualisten (11,53 Euro), Schlank ohne Diät dank EFT(9,50 Euro), Die 50:50-Diät: Dauerhaft schlank mit dem 2-Tages-Rhythmus (9,95 Euro) und so weiter – eines der größten Bedrängnisse vieler Menschen heutzutage scheint zu sein, wie man es vermeidet, viel zu essen.
    Â 
    Andere Zeiten, andere Sorgen. Aber seltsam ist es schon. Da werden die deutschen Flüsse seit Jahrzehnten sauberer, die Felder und Wälder grüner, die Jungsenioren gesünder, beim Zahnarzt tut es nicht mehr halb so weh wie früher, die Schadstoffbelastung der Atemluft, die Keime im Trinkwasser, die Nebenwirkungen der Arzneimittel gehen Jahr für Jahr zurück, aber die Klagen über ebendiese Nebenwirkungen, über Umweltverschmutzung und Chemiebelästigungen nehmen eher zu. Als ich vor 50 Jahren mit meinen Brüdern im Rhein bei Mainz das Schwimmen lernte, waren wir vermutlich weit und breit die einzigen größeren Lebewesen im Wasser. Heute fängt man da wieder Lachse. »Sogar Flusskrebse lassen sich beobachten, wie sie am Rheinstrand entlanglaufen. Selbst einige Fischarten, die unbedingt auf sauberes und vor allem sauerstoffreiches Wasser angewiesen sind, wurden im Rhein inzwischen schon wieder gesichtet, so etwa die Barbe.« Und geradezu dramatisch ist die Renaissance der Elbe. Zur guten alten Zeit der DDR, nach der sich erschreckend viele Kommunismusopfer heute gern zurücksehnen, war das die Kloake Europas, mit Belastungen an Quecksilber, Ammonium, Chloriden und Phosphaten weit jenseits dessen, was damals im Westen schon als nicht mehr tolerierbar galt. Diese Belastung ist heute auf unter ein Zehntel der DDR-Mengen

Weitere Kostenlose Bücher