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Die Angst der Woche

Die Angst der Woche

Titel: Die Angst der Woche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Krämer
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verschwinden will, ja ganz im Gegenteil sogar noch steigt: Sie ist in den Augen unserer Armutslobby nicht nur »ungeheuerlich«, »dramatisch«, »bitter«, »drückend«, »skandalös«, »beschämend«, sie nimmt auch noch ständig zu: »In der Bundesrepublik Deutschland gibt es wieder bittere private Armut« (Heiner Geißler). »Immer mehr Menschen [geraten] in existenzielle Not« (Große Anfrage der SPD). »Von Jahr zu Jahr schwillt das Heer der Menschen an, die sich auf den Sozialämtern der Städte drängen« (Der Spiegel), »Armut breitet sich aus« (Berliner Zeitung) , »Armut in Deutschland nimmt zu« (Süddeutsche Zeitung) usw. Das klingt beängstigend und macht auch vielen Menschen Angst.
    Aber in Wahrheit sind diese Armutsquoten nur ein Kunstprodukt unser gestiegenen Ansprüche. Dieser Tage lese ich in der Süddeutschen Zeitung : »Arme Kinder sind zu dick.« Früher waren arme Kinder zu dünn. Nach den Maßstäben der Vereinten Nationen etwa gilt als arm, wer weniger als einen Dollar täglich zum Überleben zur Verfügung hat. Nach dieser Definition ist in Deutschland niemand, weltweit aber jeder fünfte Mensch auf dieser Erde arm. In ihrem letzten Armuts- und Reichtumsbericht definiert die Bundesregierung dagegen als arm, wer weniger als 60 Prozent des durchschnittlichen Einkommens in Deutschland zur Verfügung hat. Mit anderen Worten: Je reicher wir im Durchschnitt werden, desto eher ist man mit einem gegebenen Einkommen auf einmal arm. Und selbst bei einer Verdopplung oder Verzehnfachung aller Einkommen bliebe der Anteil derer, die weniger verdienen als 60 Prozent des Durchschnitts, immer gleich. So wie der Teil eines Schiffs in einer Schleuse, der unter der Wasseroberfläche liegt, immer unverändert bleibt, ganz gleich wie hoch das Wasser in der Schleuse steigt, genauso bleibt auch die so gemessene »Armut« bei noch so hohem Wohlstand stets dieselbe, sie geht nicht zurück.
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    Vor allem also weil das allgemeine Bedrohungs- und Gefahrenniveau derart gesunken ist, dass selbst kleinste Änderungen dieses Niveaus auf einmal fühlbar werden, überschreiten heute auch kleinste Petitessen unsere Aufmerksamkeitsschwelle, über die man bis vor wenigen Jahrzehnten nur den Kopf geschüttelt hätte. Erinnern Sie sich noch an den gefährlichen Föhn aus Kapitel 1? »Gerade mal drei Sekunden föhnte eine Testperson beim Vergleich von 16 Haartrocknern ihre Haare mit dem Elta Germany HAT 352, als dieser mit einem lauten Knall durchschmorte.«
    Diese Meldung im Jahr 1948? Undenkbar.
    Â»Das innere Schutzgitter an der Rückseite verformte sich leicht, Finger können so in den rotierenden Ventilator gelangen.«
    Wer sich über solche Gefahren Gedanken machen kann, hat offenbar das Schlimmste überstanden.
    Noch in den 60er-Jahren wäre in der FAZ ein Artikel wie der folgende Vierspalter von 2008 mit der Schlagzeile »Wenn der Toaster Flammen schlägt« nur schwer vorzustellen gewesen. Gegenstand der Meldung waren auch hier gefährliche Elektrogeräte: »Explodierende Schutzschalter, brennende Mehrfachstecker und Diskokugeln, die unter Strom stehen: Plagiate und Billigprodukte können bei Elektroartikeln ein lebensgefährliches Risiko darstellen.«
    Das können sie in der Tat. Aber auch eine höchst professionell verlegte Steckdose kann nicht verhindern, dass ein Kind zwei Finger in sie steckt.
    Â»Doch die Liste möglicherweise gefährlicher Produkte ist deutlich länger«, fährt die FAZ fort: »Halogen-Lampen, bei denen Schutzglas platzt; Lichterketten ohne Feuchtigkeitsschutz; Handtrockner, die bei Sonneneinstrahlung auf den Sensor anfangen zu laufen; Adapterstecker, die Schutzkontakte in der Steckdose verbiegen, dass diese nicht mehr funktionieren. Vor allem im Internethandel stolpert der Verbraucher immer häufiger über solche Produkte.« Und »immer öfter tauchen auch in der Elektroinstallation gefährliche Billigprodukte auf«.
    Da ist man ja tatsächlich froh, dass man überhaupt noch lebt!
    Auch die Anbieter von Sicherheitstechnik aller Art profitieren ganz enorm von dieser abgesenkten Reizschwelle für Risiko. Die rund 3700 Wach- und Sicherheitsunternehmen in Deutschland etwa erwirtschafteten im Jahr 2009 einen Umsatz von rund 4,4 Milliarden Euro. Und wenn sich alle zwei Jahre jeweils mehr

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