Die Angst des wei�en Mannes
werde.
Die Ursachen, die vor vierhundert Jahren zur plötzlichen Bekeh rung der hinduistischen Fürstentümer Javas zum Islam führten, seien aufschlußreich. Seinerzeit war es darum gegangen, die uner trägliche Diskriminierung des Kastensystems abzuschaffen, die Entmachtung der Brahmanen-Oligarchie zu erzwingen und eine neue Grundlage des Zusammenlebens zu finden. Ähnliche Motiva tionen für ein plötzliches Aufbäumen der Massen – wenn auch un ter ganz anderen gesellschaftlichen Voraussetzungen – würden auch heute bestehen.
Zur Stunde gebe es jedoch keine schwerwiegenden Probleme zwischen den konfessionellen Gruppen, und seine Diözesanen kä men mit den Predigern des Islam recht reibungslos aus. Im Falle tätlicher Übergriffe von Fanatikern gegen seine Gemeinde würde er nicht zögern, die Koranschüler einer benachbarten »Pesantren« um Beistand zu bitten. Sorge bereitet dem Jesuiten der neue Radi kalismus, der von außen einsickert, der durch wahhabitische Emis säre aus Saudi-Arabien und – was beunruhigender klingt – durch militante Eiferer aus dem nahen Malaysia geschürt werde.
Ich äußere mein Bedauern, daß auch in Indonesien der liturgische Universalismus der lateinischen Sprache, in der ich zu beten gelernt hatte, durch das Konzil Vatikan II beseitigt worden sei, daß die Messe leider in Bahasa Indonesia gelesen wird. Aber Pater Markus, der der hektischen »Modernisierung« der letzten großen Kirchenreform in mancher Hinsicht kritisch gegenübersteht, widerspricht mir.Die Asiaten könnten dann ja auch verlangen, daß die Europäer das Vaterunser auf Chinesisch beten, wendet er ein.
Dennoch – so empfinde ich es wenigstens – ist mit dieser lingui stischen Vervielfältigung rund um den Erdball ein einigendes Ele ment abendländischer Kultur verlorengegangen. Gewiß, das dürf tige Kirchenlatein läßt sich nicht an der Sprache Ciceros messen, und bei der Bewahrung der Tradition müßten die Christen eigent lich auf das Aramäische, die Sprache Jesu, oder zumindest auf das Griechische, das Idiom der hellenistischen Antike, zurückgreifen.
Ich erinnere mich an die offizielle Reise General de Gaulles durch die Sowjetunion, als der französische Präsident in Sankt Petersburg – damals Leningrad – auf dem Besuch einer katholischen Sonntags-messe bestand und dieser Gottesdienst von einem litauischen Prie ster auf Lateinisch zelebriert wurde. Noch mehr hatte mich ein Erlebnis in Chengdu, der riesigen Metropole der chinesischen Yangtse-Provinz Szetschuan, bewegt. Dort hatte ich noch zu Leb zeiten Mao Zedongs eine jener katholischen Pfarreien aufgesucht, die sich unter staatlichem Zwang von Rom losgesagt hatte. Nach der Messe, die der chinesische Geistliche – »un prêtre assermenté«, hätte man zur Zeit der Französischen Revolution gesagt – getreu dem tridentinischen Ritus auf Lateinisch abhielt, war er dicht an mich herangetreten und hatte in einer Sprache, die kein Dolmet scher und Aufpasser verstehen konnte, mir eindringlich sein Be kenntnis zugeraunt: »Credo in unam catholicam et apostolicam Ecclesiam.«
Wenn man die Überlebenschancen des Christentums in Asien und der sogenannten Dritten Welt an der Zahl der dort tätigen Missionare europäischer oder nordamerikanischer Herkunft messen würde, ergäbe sich der tragische Eindruck, daß in Bälde für die Kirche nur noch der Weg in die Katakomben oder in die Bedeutungslosigkeit offenstehe, räumt der Jesuit ein. Das Abendland leide an einem fatalen Mangel an Berufungen zum geistlichen Stand, an einer Auszehrung der kirchlichen Substanz, ganz im Gegensatz übrigens zum erstaunlichen Wiedererstarken des prawoslawischen, des russisch-orthodoxen Patriarchats. Bei jenen farbigen Völkern hingegen,die die katholische Lehre übernommen hatten, herrsche keinerlei Mangel an Seminaristen, Nonnen und Priestern.
Das könne auf Dauer nicht ohne Folgen bleiben. Gewisse For men des Synkretismus – zumal mit den afrikanischen Naturreli gionen – würden bereits in Kauf genommen, und das eindeutige Übergewicht des »Weißen Klerus«, das bislang als gottgegeben an gesehen wurde, müsse unweigerlich den demographischen und ethnischen Verlagerungen auch innerhalb der römischen Hierar chie angepaßt und reduziert werden.
Zum Zeitpunkt unseres Dialogs in Yogyakarta zeichnete sich in USA die vor kurzem noch unvorstellbare Berufung eines Afro-American, eines »Negroe« zum Präsidenten der Vereinigten Staa ten von Amerika ab. Da war es nicht
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