Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Angst des wei�en Mannes

Titel: Die Angst des wei�en Mannes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Scholl-Latour
Vom Netzwerk:
wor den. Die Frauen sind in der Minderheit, aber selbst in dieser Luxus-herberge überwiegt das Tragen des »Hijab«. Zur Cocktailstunde, während die Geschäftsabschlüsse intensiv, aber beinahe lautlos aus gehandelt werden, spielt ein kleines Orchester auf. Drei junge Frauen erregen weniger durch den Wohllaut ihrer Stimmen als durch das gewagte Dekolleté Aufsehen, das in der zunehmend prü den Atmosphäre dieses früheren Sündenbabels provozierend wirkt.
    Indonesien durchlebt eine ruhige Phase. Man kann sich kaum vorstellen, daß noch auf dem Höhepunkt der asiatischen Wirtschaftskrise im Mai 1998 ein tosender Mob durch die Straßen der Hauptstadt raste, daß Geschäfte geplündert, Bars und Restaurants zertrümmert wurden. Die haßerfüllten Ausschreitungen richteten sich vor allem gegen die in Indonesien ansässigen Chinesen. Aber auch die 2005 im fernen Kopenhagen veröffentlichten Mohammed-Karikaturen hatten hier wütende Proteste ausgelöst. Niemand konntesich erklären, wie die entfesselten Eiferer eine solche Anzahl an dänischen Nationalflaggen, »Danebrog« genannt, aufgetrieben hatten, die sie unter gellenden Sprechchören verbrannten.
    Wie lange die ererbte javanische Regierungskunst der stillschwei genden und flexiblen Übereinstimmung, der »Musjawarah«, dieses Reich der 1500 Inseln vor den weltweiten Turbulenzen abschirmen könne, ist die Frage, auf die Dr. Fawzi immer wieder zurückkommt. Mein Gastgeber, der über hohe akademische Grade und ein beacht liches Vermögen verfügt, besitzt Verwandte in Deutschland, mit de nen ich befreundet bin. Mit der Einladung in das indonesische Re staurant Lara Djongrang, das typisch javanische Einrichtung mit arabischen Stilelementen vereint, hat Fawzi eine gute Wahl getrof fen. Wie so viele reiche Indonesier entstammt er einer chinesischen Einwandererfamilie aus der Küstenprovinz Fujian.
    Ob wirklich achtzig Prozent des indonesischen Volksvermögens sich in den Händen von rührigen »Compradores« aus dem Reich der Mitte befinden, kann er nicht bestätigen. Die Behauptung er scheint ihm weit übertrieben, aber mit knapp drei Prozent der Ge samtbevölkerung nimmt diese Minderheit zweifellos eine durch Fleiß und Tüchtigkeit erworbene Vorzugsstellung ein. Ähnlich wie die Juden Europas waren sie noch unlängst rassistischen Pogromen ausgeliefert. Man hatte ihnen sogar die Nutzung der eigenen Spra che untersagt. Erst seit dem Jahr 2000 wurden die Ausnahmege setze abgemildert, aber bei den meisten Malaien gelten die Chine sen weiterhin als ausbeutende Staatsfeinde, die von Neid und Mißtrauen umgeben sind.
    Dr. Fawzi hat zum großen Kummer seiner christlichen Familie versucht, diesen Verdächtigungen zu entgehen, indem er zum Islam übertrat und sogar seinen Namen änderte. Ob er wirklich integriert ist, erscheint mir zweifelhaft. Um zusätzliche Sicherheit bemüht, hat sich der Apostat intensiv mit den vielfältigen Tendenzen und Abweichungen befaßt, denen die koranische Lehre auf Java ausge setzt ist. Aus den Sand- und Steinwüsten Arabiens stammend, war sie in Insulinde auf eine ihr wesensfremde Umgebung gestoßen, auf eine üppig wuchernde Tropenvegetation.
    Galtendie Gesetze Darwins von der Anpassung der Gattungen an veränderte Lebensbedingungen und Klimaschwankungen auch für eventuelle Mutationen im religiösen Bereich? Diese Thematik beschäftigt den abtrünnigen Chinesen, auch wenn er sich beim Un terricht seiner indonesischen Studenten solcher Spekulationen tun lichst enthält. Ich habe dem pragmatischen Intellektuellen, der wie ein fetter Buddha wirkt, solche hintergründigen Überlegungen gar nicht zugetraut.
    Wie prekär es um die Angehörigen der Han-Rasse in Indonesien bestellt ist, hatte ich bereits in den siebziger Jahren erfahren bei einer durch Maschinenschaden verursachten Zwischenlandung in Jambi, einer Provinzhauptstadt Zentral-Sumatras. Durch eine obs kure Empfehlung aus dem Stadtviertel Saigon-Cholon war ich an einen gewissen Mr. Ping geraten und hatte in seinem verrotteten Hotel übernachtet. Die Nacht war unerträglich schwül in Jambi. Die Elektrizität war ausgefallen, die Klimaanlage mit einem äch zenden Laut stehengeblieben. Im ausgedehnten Chinesenviertel, wo die Männer nur mit Turnhosen bekleidet waren, fand ich mich mühsam zurecht. Die Menschen waren wohl unempfindlich gegen die Moskitoschwärme, die aus den nahen Sümpfen aufstiegen und sich im Schein der Karbidlampen zu glitzernden Wolken ballten.
    Die Holzhäuser der

Weitere Kostenlose Bücher