Die Angst des wei�en Mannes
ausgeschlossen, darin kommen wir überein, daß in gar nicht so ferner Zukunft auch im Vatikan ein dunkelhäutiger Pontifex Maximus in die Nachfolge jener Oberhir ten eindringen würde, an deren Anfang ein semitischer Orientale aus Galiläa, der hebräische Fischer Simon Petrus, gestanden hatte.
Die Ängste des Mister Ping
Jakarta, im März 2008
Wenn man einer Studie der Weltbank Glauben schenkt, wäre der Untergang der indonesischen Hauptstadt Jakarta auf den 6. Dezember 2025 programmiert. Zu diesem Zeitpunkt würde die Megapolis von dreizehn Millionen Einwohnern so weit in ihrem sumpfigen Untergrund versackt sein, daß die Meeresfluten der Java-See sich wie eine Sintflut über sie ergössen. Nun hat sich die Weltbank, im Verein mit ihrer Schwesterorganisation, dem Internationalen Währungsfonds, in ihren finanziellen Prognosen, für die sie eigentlich zuständig sein sollte, eine solche Serie total falscher Aussagen geleistet und gleichzeitig mit ihren gebieterischen Weisungen an währungsschwache Staaten soviel Unheil angerich tet,daß die Einwohner der niederländischen Stadtgründung Batavia keine schlaflosen Nächte verbringen sollten.
Ich weiß nicht, warum die Stadt in den Guidebooks für Touristen so negativ beurteilt wird. Verglichen mit der verrotteten Hafen stadt, die ich 1954 zum ersten Mal entdeckte, hat sich Jakarta durch aus erfolgreich in die Serie der urbanen Giganten Ostasiens einge reiht, die von Seoul über Shanghai und Hongkong bis Singapur reicht. Schlimmer als in Bangkok sind die nervtötenden Verkehrs staus auch nicht. In den erbärmlichen Slums, die natürlich existie ren, täuschen die roten Ziegeldächer über die dürftigen Lebensbe dingungen ihrer Einwohner ein wenig hinweg. In dem alten holländischen Viertel Kuta, wo die niederländische Oostindische Compagnie die britischen Rivalen im Jahr 1690 endgültig aus dem Felde schlug, haben die Behörden sich sogar um eine recht gelun gene Rekonstruktion kolonialer Relikte bemüht. Mir fallen Schul busse auf, die Mädchenklassen in strikt islamischer Einheitstracht zur Besichtigung fahren.
Man mag am Wahrzeichen der Unabhängigkeit, der 132 Meter hohen Säule am Merdeka-Platz, beanstanden, daß für die krönende Flamme 35 Kilogramm puren Goldes verwendet wurden. Aber häßlicher als die Siegessäule im Berliner Tiergarten ist sie nicht. In Anspielung auf die amourösen Extravaganzen des Staatsgründers und seine Kollektion bildschöner Gespielinnen hat der Volksmund diesem Symbol indonesischer Staatswerdung den Namen »Sukar nos last erection« verliehen.
Längs der Straße vom Flugplatz zur Stadtmitte, eine Strecke von 35 Kilometern, ist die Autobahn durch massive Neubauten gesäumt, deren Architektur mit den monumentalen Fassaden Pekings vergleichbar ist. Das kreisförmige neue Zentrum, in dem auch mein Hotel gelegen ist, umschließt einen üppigen tropischen Park, dessen Wasserbecken die Ausmaße eines Fußballfeldes erreicht. Bunt angestrahlte Kaskaden sprudeln dort ein flüssiges Feuerwerk hoch. Bei Einbruch der Dunkelheit leuchtet eine riesige Glaskuppel auf. In ihrem Glanz spiegeln sich die Apartment- und Bürogiganten, die auch hier im Aquariumstil aus Glas und Aluminium errichtet wur den.Das Ganze macht sich ungleich prächtiger und repräsentativer als das mißlungene Durcheinander architektonischer Experimente, das den Potsdamer Platz in Berlin verschandelt.
Ich bin nicht als Tourist nach Jakarta gekommen, bemerke aber mit Genugtuung, daß hier die Dienstleistungsgesellschaft, die sich im Westen durch zunehmenden Verzicht auf die bescheidensten Formen von Dienstleistungen auszeichnet, noch nicht das tägliche Leben erschwert. Zur Beförderung steht eine Vielzahl preiswerter, hochkomfortabler »Blue Bird«-Taxis zur Verfügung, von der man in Paris nur träumen kann. Bei einer Stadtrundfahrt entdecke ich den stattlichen schneeweißen Amtssitz des früheren holländischen Generalgouverneurs und stelle eine frappierende Ähnlichkeit mit dem Casinogebäude von Scheveningen fest.
Auch in Jakarta hat der weiße Mann den Rückzug angetreten. Je denfalls sind die letzten »Kaukasier« um Diskretion und Unauf fälligkeit bemüht. In der Panorama-Lounge meines Hotels sind, mehr noch als in Yogyakarta, die Staatsangehörigen der asiatischen »Schwellenländer« unter sich. Die zahllosen Japaner, die früher als Manager, Firmenvertreter und Touristen den Ton angaben, sind in zwischen von Chinesen unterschiedlicher Provenienz abgelöst
Weitere Kostenlose Bücher