Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Angst des wei�en Mannes

Titel: Die Angst des wei�en Mannes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Scholl-Latour
Vom Netzwerk:
symbolisch ein paar Reisbüschel zu schneiden. Nach der Rezitation der Fatiha-Sure des Ko ransweihte er eine Moschee aus Blech und Holzlatten ein. Dann war er mit seinem Jet nach Jakarta zurückgeflogen und hatte die unglückseligen Exilanten ihrem Schicksal überlassen.
    Während ich der Maschine nachblickte, kam mir der Gedanke, daß mir, falls ich Javaner wäre, die Perspektive einer Auswanderung in die wüstenähnliche, aber aus vielerlei Gründen zukunftsträchti gere Küstenzone Nordaustraliens verlockender, zumindest erträg licher erschiene als die Verbannung in den verseuchten Morast Sumatras oder Kalimantans. Die weißen Australier können sich glücklich schätzen, daß die Indonesier diesen naheliegenden Aus weg aus ihrer quälenden Enge offenbar gar nicht wahrzunehmen scheinen.
    Eine malaiische Völkerwanderung in Richtung Süden, eine Transmigrasie in den Norden und Westen des Fünften Kontinents, der zum Greifen nahe liegt, steht in Jakarta noch überhaupt nicht zur Debatte. In jüngster Vergangenheit hat der australische Pre mierminister Kevin Rudd die strikten Einwanderungsgesetze sei nes Vorgängers Howard gelockert und die meisten gefängnisähn lichen Lager aufgelöst, wo illegale »Immigrants« unter seinem Vorgänger eingesperrt wurden.
    Doch eine neue Welle von Elendsflüchtlingen hat bei den weißen Australiern Zukunftssorgen geweckt. Bei den Gestrandeten handelt es sich jedoch keineswegs um indonesische Nachbarn, sondern um Asylsuchende aus Afghanistan, Pakistan und Sri Lanka, die den Wirren und der Not ihrer Heimat zu entkommen suchen. Der Di rektor des Zentrums für Immigration und multikulturelle Studien an der »Australian National University«, James Jupp, ließ – unter Hinweis auf die verwundbare Position seiner überwiegend europäi schen Nation am Rande Asiens – verlauten: »Bei uns kommt das Gefühl auf, daß wir am falschen Platz leben, daß Millionen und Mil lionen Asiaten nur darauf warten, uns komplett zu überschwem men.«
»Admajorem Dei gloriam «
    Von Christenverfolgung kann in Indonesien nicht die Rede sein. Die Katholiken sind dort mit fünf bis sechs Millionen Gläubigen etwas stärker vertreten als die diversen protestantischen Gemein den. Unterschwellig existiert jedoch eine Diaspora-Mentalität, und die Vergangenheit hat gelehrt, daß insbesondere die straffe hierar chische Struktur der römischen Kirche bei der Masse der 220 Mil lionen Muslime Argwohn erweckt und latente Feindseligkeit schürt. Standen unlängst nicht sogar die »Papisten« der USA im Verdacht mangelnder Staatstreue, weil sie die Unfehlbarkeit des Papstes in dogmatischen Fragen akzeptierten?
    Ein paar hundert junge Leute haben sich in Yogyakarta gegen sieben Uhr abends zur Feier der Auferstehung des Herrn im weit ausladenden Kirchenschiff der Jesuiten-Hochschule eingefunden. Die Societas Jesu rekrutiert ihre Mitglieder ausschließlich unter ge bürtigen Indonesiern. Der deutsche Pater Markus, wie wir ihn nen nen wollen, erklärt mir die Organisation seiner straff geführten Ausbildungsstätte.
    Die Wände des Gotteshauses sind mit Szenen des Evangeliums bemalt. Die Erlösungskunde aus dem Heiligen Land wird in einen javanischen Rahmen übertragen. Jesus und Maria sind in die hiesige Landestracht gekleidet. Eine naive, ergreifende Gläubigkeit spricht aus diesen Fresken. Die Rolle, die Jesus von Nazareth als Fürbitter der Armen und Bedrückten beanspruchte, ist das stets wiederkeh rende Motiv. Über dem Altar leuchtet eine riesige Darstellung des Auferstandenen, der – ganz in Weiß gehüllt – mit ausgestreckten Armen der Erde entrückt wird.
    Die Studenten sind in ihrer besten Kleidung erschienen. Mich beeindruckt die Heiterkeit der Jungen und Mädchen. Daß ein Europäer sich ihnen zugesellt, erfüllt sie offenbar mit Freude und Zuversicht, und immer wieder strecken sich mir Hände entgegen. Der deutsche Pater hat zweifellos an der liturgischen Gestaltung der Ostermesse mitgewirkt. Die Texte der frommen Lieder, die im Chorgesungen und von einem kleinen Orchester begleitet werden, sind natürlich in der Nationalsprache verfaßt. Aber die Melodien sind mir aus der eigenen Kindheit wohlvertraut. »Großer Gott, wir loben Dich«, klingt es auf oder »Fest soll mein Taufbund ewig stehn«.
    Der zelebrierende Priester wird bei seinem Gang zum Altar von einem anmutigen Reigen junger Frauen geleitet, die ein hellblaues Seidengewand tragen und sich mit angeborener Grazie bewegen. Die Laien sind in den

Weitere Kostenlose Bücher