Die Angst des wei�en Mannes
seine persönliche, frontnahe Erfah rung zurückgreift.
»Ist dir eigentlich aufgefallen, daß seit dem Triumph der Alliier ten über Deutschland und Japan kein einziger Krieg mehr nach haltig gewonnen wurde?« doziert er. »Sehen wir einmal von den konventionellen Großeinsätzen in Korea, Vietnam, dem Zweiten Weltkrieg und dem sowjetischen Einfall in Afghanistan ab – nir gendwo, nicht einmal in den belanglosen Scharmützeln von Soma lia, beim gescheiterten Blue-Strike-Unternehmen im Iran, bei der dilettantischen Landung in Suez im Jahr 1956, beim Einsatz der ›Contras‹ in Nicaragua – von dem Debakel Kennedys in der kuba nischen Schweinebucht ganz abgesehen – ist es den beiden Super mächten und ihren Trabanten gelungen, einen dauerhaften militä rischen Erfolg an ihre Fahnen zu heften. Selbst die Israeli stolpern seit dem fatalen Rückschlag des Yom-Kippur-Krieges von einer Fehlentscheidung zur anderen.«
Eine einzige Ausnahme sei zu erwähnen: Die Rückeroberung der Falkland-Inseln durch Großbritannien. Um dieses Wagnis einzu gehen, hatte es wohl einer Frau bedurft, nämlich Maggie That chers, aber Begeisterung komme nicht auf bei den Veteranen der Royal Commandos, wenn sie an die Schlappe der Argentinier am Rande der Antarktis zurückdenken. So mancher Überlebende habe erstaunt aufgehorcht, als Maggie mit den Akzenten einer Siegesgöt tin den Abschlußbericht vor dem Unterhaus mit der Zusicherung abschloß, sie sei weiterhin »proud to be British«.
Im Bodenkampf, so kommen wir überein, habe sich im Südlibanon, im Irak, in Afghanistan längst bestätigt, daß die konventionelle Kriegführung der NATO-Stäbe, aber auch Rußlands und Israels, mit der Abnutzungsstrategie, die den Kern des »asymmetrischen Krieges«bildet, nicht zurechtkommt. Die ungeheuerliche Durchschlagskraft neuer Monsterbomben, inklusive der »bunkerbuster«, hat sich sowohl im Hindukusch als auch im levantinischen Küstengebiet als untauglich erwiesen, die El-Qaida-Truppe Osama bin Ladens oder die Hizbollah des Scheikh Nasrallah in irgendeiner Weise zu zermalmen.
Der klarsichtige Professor van Crefeld von der Hebrew Univer sity in Jerusalem zitiert den Nordvietnamesen Truong Chinh als Kronzeugen einer erfolgreichen Guerrilla. Bei diesem Gefährten Ho Tschi Minhs heißt es: »Das Leitprinzip der Strategie unseres gesamten Widerstands muß es sein, den Krieg in die Länge zu zie hen. Den Krieg zu verlängern ist der Schlüssel zum Sieg. Warum muß der Krieg verlängert werden? Weil es offensichtlich ist, wenn wir unsere Kräfte mit denen des Feindes vergleichen, daß der Feind noch stark ist und wir noch schwach sind. Wenn wir unsere ganzen Truppen in wenige Schlachten werfen und versuchen, die Entschei dung zu erzwingen, dann werden wir mit Sicherheit geschlagen werden, und der Feind wird siegen. Wenn wir auf der anderen Seite unsere Kräfte bewahren, sie ausweiten, unsere Armee und das Volk ausbilden, militärische Taktiken lernen und gleichzeitig die feind lichen Kräfte zermürben, dann werden wir sie so sehr demoralisie ren und entmutigen, daß sie, so stark sie auch sein mögen, schwach werden und die Niederlage sie erwartet, nicht der Sieg.«
Ähnlich hatte sich Henry Kissinger geäußert, von dem man er hofft hätte, daß er den zunehmend sinnlosen Einsatz der NATO in Afghanistan mit Kritik überzöge: »Die Ordnungskräfte«, so argu mentierte der ehemalige Außenminister Richard Nixons, »die Ord nungskräfte verlieren, weil sie nicht gewinnen. Rebellen hingegen gewinnen dadurch, daß sie nicht verlieren. Das trifft weitgehend zu, ob die Täter nun Weiße oder Schwarze sind, traditionalistisch oder modern, kapitalistisch oder sozialistisch und so weiter. Es gilt auch unabhängig davon, ob es sich um gottesfürchtige Amerikaner oder um atheistische Kommunisten handelt.«
Mein Freund Turner hält plötzlich inne. Er hat sich zu einer Mitteilsamkeit hinreißen lassen, die für ihn ganz ungewohnt ist. »Der Arzthat mir mit Rücksicht auf den hohen Blutdruck von Whisky dringend abgeraten, und jetzt erlebst du meine Geschwätzigkeit. Aber mit wem soll ich mich denn noch aussprechen? Etwa mit unseren Militärexperten, die krampfhaft versuchen, auf den Niedergang unseres Empire mit der ihnen anerzogenen ›stiff upper lip‹ zu reagieren? Oder mit einer Crew jüngerer Fernost-Reporter, die sich auf Geheiß ihrer Chefredakteure am allgemeinen ›Chinabashing‹ beteiligen?«
Es sei doch ein schändlicher Witz, daß an einer
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