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Die Angst des wei�en Mannes

Titel: Die Angst des wei�en Mannes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Scholl-Latour
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Muftiats für die in ganz Rußland weit verstreuten sunnitischen Glaubensgemeinschaften fungierte. Da Baschkortostan im Nordosten in die autonome Re publik Tatarstan übergeht, wo die Muslime ebenfalls eine knappe Mehrheit bilden, erstreckt sich ein potentieller islamischer Gürtel bis an die Mittlere Wolga, das heißt bis in Herzland des europäi schen Rußland.
    Katharina II., die Große genannt, die das Zarenreich zum ersten Malbis an den Rand des Kaspischen Meeres ausgedehnt hatte, wurde sich der fortdauernden muslimischen Belastung für den Bestand ihres Imperiums in vollem Umfang bewußt, als der Volkstribun Jemeljan Pugatschow sich als Zar Peter III. ausgab, Kazan eroberte und sich bei seinem Feldzug auf die tatarischen Reiterhorden des heutigen Baschkortostan stützen konnte. Über den waldigen Höhenzügen des Urals, unmittelbar am Rande von Ufa, wurde dem muslimischen Gefährten Pugatschows, dem baschkirischen Emir Salawat Julajew, schon zu Sowjetzeiten ein pompöses Reiterstandbild errichtet. Er wird weiterhin als Nationalheld dieses den Tataren eng verwandten Turk-Volkes verehrt.
    Katharina II. war klug genug, ihren muslimischen Untertanen durch die Schaffung einer eigenen geistlichen Direktion in Oren burg entgegenzukommen, während drei Jahrzehnte später Zar Ale xander I. die außerordentliche Bravour seiner tatarischen Regimen ter, die sich in der Schlacht von Borodino gegen Napoleon bewährt hatten, mit der Genehmigung zum Bau einer imponierenden Mo schee im Herzen Moskaus belohnte.
    Nach der Oktoberrevolution hatte der intellektuelle Inspirator einer tatarischen Wiedergeburt namens Sultan-Galijew mit Zu stimmung Lenins versucht, eine fragwürdige Synthese zwischen Islam und Kommunismus zu finden. Doch Joseph Stalin verfügte sehr bald mit der ihm eigenen Brutalität die erbarmungslose Zer schlagung dieses seltsamen Experiments.
    *
    Aus der Einöde, die bei vierzig Grad Hitze plötzlich auf fast vierhundert Meter unter den Meeresspiegel absinkt, zeichnen sich die Fördertürme und die in ständiger Bewegung pendelnden Pumpen, »Esel« genannt, in unregelmäßigen Abständen ab. Menschen sind kaum anzutreffen. Nur die Firmenschilder der großen Konzerne lassen erkennen, wer gerade zum Zuge gekommen ist. Die Chinesen haben sich offenbar im Norden der Mangyschlak-Halbinsel am intensivsten engagiert. Ein dringlicher Vorschlag aus Washington, einePipeline zwischen Aktau und Baku quer durch das Kaspische Meer zu verlegen und damit den russischen Rivalen zusätzlich zu benachteiligen, ist an der vorsichtigen Zurückhaltung des kasachischen Präsidenten bisher gescheitert.
    In Astana ist man sich zudem bewußt, daß zu den Anrainerstaaten des Kaspischen Meeres, die an der Delimitierung des jeweiligen Festlandsockels und der dortigen Offshore-Förderanlagen beteiligt sind, auch die Islamische Republik Iran und jenes absurde Staats wesen zählen, das aus der früheren Sowjetrepublik Turkmenistan hervorgegangen ist. Seit dem Tod ihres ersten, zur Paranoia neigen den Tyrannen Nyazow, der sich selbst als »Turkmenbaschi«, als Herr aller Turkmenen, glorifizieren ließ, verfügt ein noch bizarre rer Nachfolger über die gewaltigen Gasvorkommen dieser Stam mesföderation.
    Eine demographische Stabilisierung hat sich in diesem Raum längst noch nicht eingestellt. Mit Ausnahme von Kasachstan sind die dort lebenden Europäer zu einer unbedeutenden Minderheit geschrumpft, während die sogenannten »Schwarzen« – Kaukasier und Zentralasiaten – weiterhin in das eigentliche russische Kernge biet einströmen und dort heftigen, rassistisch motivierten Zusam menstößen mit den zutiefst irritierten Slawen ausgesetzt sind. Dar an gemessen spielt die Zuwanderung chinesischer Händler, die zwischen Wladiwostok und Smolensk die Märkte beherrschen, eine relativ bescheidene Rolle. Die Regierung von Peking wacht darü ber, daß das zur Zeit ungetrübte Verhältnis zu Moskau nicht durch einseitige Vorteilnahme der Volksrepublik gestört wird.
    Die Russische Föderation und das postmaoistische China haben sich sogar im Verbund mit einer Anzahl von GUS-Staaten zu jener »Union von Shanghai« zusammengefunden, die jenseits der ge meinsamen ökonomischen Interessen auch auf militärischem Ge biet kooperieren. Es geht diesen disparaten Partnern vor allem um die Wahrung ihrer territorialen Integrität und um einen gemein samen Kampf gegen den Terrorismus, so heißt es wenigstens.
    Die Manöver der jeweiligen Streitkräfte

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