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Die Angst des wei�en Mannes

Titel: Die Angst des wei�en Mannes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Scholl-Latour
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einer konstruktiven Außenpolitik, müsse Washington sich noch eine Reihe schwerwiegender Fehlgriffe leisten, ehe die Stimmung der javanischen Massen in offene, möglicherweise religiös motivierte Feindschaft gegen alles Westliche umkippe. Doch die Australier sollten sich in acht nehmen. In der Timor-See sei ein tiefer Graben aufgerissen worden, und wer könne schon garantieren, daß der nächste amerikanische Präsident sich in Insulinde am Ende nicht in ein ähnlich törichtes, verderbliches Spiel einließe wie George W. Bush im sogenannten Broader Middle East.
»WasGottes Vorbestimmung war«
    Railaco, im März 2008
    Fräulein Ho Khanh Mai Thy, kurz Thy genannt, hat sich bei der Firma »Timor Global Ltd.« unentbehrlich gemacht. Das Unter nehmen, das sich auf Pflanzungen und Export von Kaffee speziali sierte, ist wohl der einzige nennenswerte und profitable Betrieb auf Ost-Timor. Der berufliche Erfolg von Mademoiselle Thy ist ver mutlich darauf zurückzuführen, daß sie in Saigon noch eine strenge Ausbildung alten französischen Stils genossen hat.
    Ansonsten befindet sich »Timor Global Ltd.« fest in chinesi scher Hand. Die Leitung obliegt einem jungen, dynamischen »Sohn des Himmels«, der zwar in Dili zur Welt kam, aber einer vor zwei Generationen aus der Provinz Kwantung eingewanderten Hakka-Sippe angehört. Alle nennen ihn Bob, was den Umgang er leichtert. Hinter seiner Fröhlichkeit und ständig guten Laune ver birgt sich eiserner Erfolgswille. Mit ähnlicher Energie hatten sich seine Vorfahren, die zur portugiesischen Zeit als Plantagen-Kulis über Macao eingewandert waren, den Weg nach oben geöffnet.
    Es mögen ein paar hundert Menschen bei »Timor Global« ar beiten. Die meisten sind Timoresen, aber die Vorarbeiter mehr heitlich javanisch-malaiischen Ursprungs. Zwei blutjunge Chine sinnen geben den strengen Arbeitsrhythmus mit einer Energie und Autorität vor, die man ihrem zierlichen, fast kindlichen Wuchs gar nicht zugetraut hätte. Sie leiten die timoresischen Arbeiter beim Füllen und Verfrachten der Kaffeesäcke an.
    Für Thy ist es gewiß nicht leicht gewesen, sich als engste Mitar beiterin Bobs durchzusetzen. Sie hat von ihm gelernt, wie man stets ein heiteres Gesicht zur Schau trägt, aber wenn es zur Sache kommt, wenn sie die Konten und Bilanzen überprüft und sich nicht beobachtet fühlt, zeichnet sich auf ihrem lieblichen Gesicht eine Härte ab, wie sie Graham Greene bei dem schönen Mädchen Phu ong entdeckte, das in seinem Roman Der stille Amerikaner die zen trale Rolle spielt.
    Bobist sich seiner Sonderstellung bewußt. Die junge Republik Timor-Leste ist bettelarm und ausschließlich auf Subsidien auslän discher Spender angewiesen. Aber was leisten schon die Dilettan ten der NGOs und jene hochbesoldeten Aid-Worker der Verein ten Nationen, die mit ihren massiven Gratislieferungen von Lebensmitteln den einheimischen Bauern jede Chance nehmen, ihre Reisfelder gewinnbringend zu bearbeiten? Die internationa len Hilfsorganisationen haben auch hier eine Passivität gefördert, die man auf französisch als »mentalité d’assistés« bezeichnet und als deren Folge die Äcker brachliegen.
    Der Kaffee aus Timor ist von vorzüglicher Qualität. Zu den Kun den von »Timor Global« zählt auch die weltweit vertretene Starbucks-Kette. Da Timor den meisten Kunden völlig unbekannt ist, preisen allerdings deren Manager ihre Getränke als afrikanische oder lateinamerikanische Ware an. Aus dem Fenster des Kontors, in dem die kleine Vietnamesin Thy das Regiment führt, fällt der Blick auf eine weite Halle, wo Dutzende einheimischer Frauen da mit beschäftigt sind, die guten von den schlechten Kaffeebohnen zu trennen. Die Arbeiterinnen tragen bunte Gewänder. Die eine oder andere Gruppe wirkt aus der Ferne wie ein Gauguin-Gemälde. Man denkt an »Ta Matete«, und endlich kommt ein romantischer Hauch malaiisch-polynesischer Anmut auf.
    Bob hat uns eingeladen, seine Plantagen von Railaco aufzusu chen. Ich frage Thy, die mir aus meinen Vietnamjahren so vertraut vorkommt, ob sie uns begleiten will. Sie möchte gern, besitzt aber immer noch nicht die unentbehrlichen Einwanderungspapiere und könnte bei Polizeikontrollen in Schwierigkeiten geraten. Wie es denn um die Zuwanderung von Chinesen bestellt sei, frage ich den Chef. Er erklärt mir, daß auf Timor wie in ganz Indonesien eine starke chinesische Minderheit lebt, die jedoch aufgrund ihrer Tüch tigkeit als Ausbeuter und Wucherer diffamiert würde.

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