Die Angst des wei�en Mannes
Früher habe es sich, wie bei seiner eigenen Familie, um Hakka gehandelt. Seit ein paar Jahren fände jedoch eine beachtliche illegale Zuwanderung von Han-Chinesen aus der Provinz Fujian statt. Macao und auch die Insel Taiwan würden dabei als Sprungbrett genutzt.
Wirhaben uns auf die Fahrt nach Railaco begeben, das in Rich tung Westen gelegen ist, wo die Straßen bereits auf die indonesi sche Hälfte der Insel Timor überleiten. Die Asphaltstrecke windet sich durch dichtes Unterholz. Beim Anblick der erbärmlich bewirt schafteten Reisfelder muß ich an die Aussage der deutschen GTZ-Experten denken. Dieses Land, so argumentieren sie, bietet alle Voraussetzungen tropischer Fruchtbarkeit, ja landwirtschaftlichen Überflusses. Dazu kämen reiche Mineralvorkommen und vor al lem die Öl- und Erdgasreserven der Timor-See.
Doch neben der angeborenen Indolenz der Landbevölkerung habe das Chaos der langen, blutigen Repression und einer heldisch ver klärten Guerrilla jeden Leistungswillen zusätzlich gelähmt. Nur ver einzelte Ratgeber und Aufbauhelfer, die unter der blauen UN-Fahne eingeflogen wurden, trauen sich aus Sicherheitsgründen, ihre kom fortablen Quartiere in Dili zu verlassen, und was kann man schon von angeblichen Experten aus dem afrikanischen Sahel oder aus den Steppen Zentralasiens erwarten, deren Behörden bei der Entwick lung ihrer eigenen Heimatländer erbärmlich gescheitert sind?
Die Dörfer am Straßenrand sind von den Verwüstungen des Par tisanenkrieges gezeichnet. Inmitten dieser Verwahrlosung leuchtet in weißer und himmelblauer Tönung eine Darstellung der Grotte von Lourdes auf. Die Madonnenstatue verkündet dort den baski schen Hirtenkindern ihre Botschaft: »Ich bin die unbefleckte Emp fängnis.«
Mit berechtigtem Stolz führt Bob uns seine Werksanlagen vor. Die Rösterei und die Verpackungsmaschinen werden von einer per fekt konstruierten Aluminiumhalle überdacht, die aus Vietnam im portiert wurde. Bob unterhält freundschaftliche Beziehungen zum deutschen Team der Gesellschaft für technische Zusammenarbeit, deren Kompetenz er zu schätzen weiß. Er kommt auch mit den Por tugiesen gut zurecht, deren temporäre Rückkehr in ihre einstige Besitzung er mit Skepsis beobachtet. Wie ist sein Verhältnis zu den kommunistischen Behörden in Peking? Offenbar bestehen da enge, verschlungene Bande, die sich dem Einblick von Europäern, Au straliern und Amerikanern entziehen.
Selbstals die wohlhabenden Auslandschinesen im asiatisch-pazi fischen Raum mit Horror auf die Exzesse des radikalen Maoismus blickten, blieben sie dem Reich der Mitte intim verbunden. So hatte ich im Sommer 1964 im Hafen Lae auf Neuguinea erlebt, wie die dort ansässige Gilde erfolgreicher chinesischer Kaufleute, die die marxistische Zwangswirtschaft der roten Volksrepublik verabscheu ten, in Jubel ausbrach, als es der Volksbefreiungsarmee in den Wei ten der Taklamakan-Wüste gelang, die erste chinesische Atom bombe zu zünden.
»Mit der Schaffung der unabhängigen Republik Timor-Leste hat die amerikanische Führungsmacht am Rande Nordaustraliens, im Herzen von Insulinde, einen Freiraum, ein politisches Vakuum ge schaffen. Hier wurde ein Einfallstor geöffnet«, so ungefähr lautet der Kommentar des Kaffeeproduzenten, der seine joviale Maske für einen Moment abgestreift hat. »Wir Asiaten denken in langen Zeit räumen. Aber schneller, als die meisten Politologen des Westens sich das vorstellen – vielleicht schon in fünf Jahren – dürfte das ko lossale Gewicht Pekings die künftige Entwicklung in diesem Raum vorgeben.«
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Nach Dili zurückgekehrt, blättere ich am Abend vor meiner Wei terreise nach Bali noch einmal im umfangreichen Lusiaden-Band des wagemutigen Barden Luís Camões. Da stoße ich auf eine bi zarre Beschreibung des unbezwingbaren Aufbegehrens barbarischer Ureinwohner und Stämme gegen die weit überlegenen Eindring linge aus dem Okzident, und die erscheint – bei aller Altertüm lichkeit des Ausdrucks – seltsam modern. Wenn der Dichter sich des Wortes »Kaffern« bedient, so übernimmt er lediglich den arabi schen Ausdruck, mit dem der Koran jeden Ungläubigen oder Gott losen als »Kafir« benennt. So lautet der Text:
»Dortwerden wilde Kaffern das vollbringen,
Was selbst geschickte Feinde nicht gemacht.
Und roh gebrannten Pfählen wird gelingen,
Was Bogen und Geschütze nicht vollbracht.
Doch wer kann Gottes Ratschluß schon durchdringen?
Törichte Menschen, die das nicht bedacht,
Nennen es
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