Die Angst des wei�en Mannes
Men schenrechten und Demokratie nachhaltig zu trüben.
Die Feldzüge, die dieser Herostrat leichtfertig vom Zaun brach und die er – den Einflüsterungen seiner neokonservativen Ratgeber erliegend – noch gern um einige zusätzliche Kriegsschauplätze ver mehrt hätte, haben Freund und Feind, Widersachern und Vasallen des Atlantischen Bündnisses die Grenzen des amerikanischen Ex pansionismus vor Augen geführt. Das Pentagon hat lange gebraucht, um zu erkennen, daß im Zeitalter des »asymmetric war« die fulmi nante Perfektionierung von Hi-Technology und Wunderwaffen, die Entfaltung einer ungeheuerlichen Vernichtungskapazität, ge koppelt mit der Omnipräsenz eines an Allwissenheit grenzenden Beobachtungs- und Spionagesystems, nicht in der Lage sind, das unzureichende Aufgebot an eigenen Bodentruppen zu kompen sieren.
Alle Planungen amerikanischer »counter insurgency« scheitern an der infanteristischen Schwäche und vor allem an der intellektu ellenUnbedarftheit einer Besatzungsarmee, die die gegnerische Zivilbevölkerung durch grobschlächtiges Auftreten in den aktiven Widerstand treibt. Ob es sich um angebliche Erfolgsrezepte wie »search and destroy« oder »clear and hold« handelt, die sich gegenseitig ausschließen und bereits in Vietnam versagten, oder um die naiv-utopische Bemühung, »to win hearts and minds« – die Herzen und die Gemüter einer okkupierten Bevölkerung zu gewinnen. Der Widerstand der »Gotteskrieger« oder »Terroristen«, der Freiheitshelden oder Heckenschützen – wie immer man sie nennen mag – stützt sich bei der Auseinandersetzung im »Broader Middle East« auf die Bereitschaft zur Selbstaufopferung »fi sabil Allah – auf dem Wege Gottes« und eine höchst effiziente Anpassung an die gegnerische Strategie und modernste Elektronik.
Am Ende dieses Abnutzungskrieges, dieses »war of attrition«, steht die Zermürbung der fremden Invasoren, der »Ungläubigen«, und die Bestätigung eines Koranspruchs, der verkündet, daß »Allah stets auf seiten der Geduldigen, der Standhaften steht – Inna Allah ma’a es sabirin«.
Die europäischen Alliierten haben den Schwund strategischer Unverwundbarkeit ihres unentbehrlichen transatlantischen Ver bündeten noch immer nicht voll zur Kenntnis genommen. Im Rückblick auf die Tragödie von »Nine Eleven« – mit einem Ab stand von knapp zehn Jahren – erscheint die Vernichtung des World Trade Center als eine kriminelle Episode, die niemals die Anwen dung des Bündnisfalles, das heißt das kriegerische Engagement der NATO laut Artikel V des Allianzvertrages, hätte rechtfertigen dür fen. Zumal damit jeder geographische Rahmen gesprengt und die willfährige Gefolgschaft der USA in einen Gespensterkrieg gegen den »Terrorismus« verwickelt wurde, dessen Zielsetzung jeder kla ren Definition entbehrt.
Vermutlich wäre es für die Bürger der USA und die übrige Menschheit von Segen gewesen, wenn zum Zeitpunkt des fürchterlichen Schocks, den die Anschläge auf das Herz Manhattans und das Pentagon auslösten, ein Skeptiker, sogar ein Zyniker die Geschicke der größten Weltmacht gelenkt hätte, statt dieses religiös illuminierten Wirrkopfes,der die Weisungen »seines Vaters im Himmel« auf seiner texanischen Ranch mit dem Gefühl exaltierter Berufung entgegennahm. Dieser sportlich auftretende Kapitän Ahab der Neuzeit, der sich gern in jovialer und kumpelhafter Pose auf dem Traktor photographieren ließ, in Wirklichkeit jedoch der Endzeitstimmung der »Evangelicals« nahestand, büßte jede Glaubwürdigkeit ein, wurde als Künder demokratischer Tugend vollends unerträglich, als er seinen Feldzug »Iraqi Freedom« mit Fehlinformationen, mit einer schamlosen Irreführung der öffentlichen Meinung zu rechtfertigen suchte.
In Bagdad sollte auf den Ruinen des Saddam-Regimes ein »Leuchtturm der Freiheit« erstehen, der im Zuge eines imaginären Dominoeffekts zwischen Marokko und Pakistan den Idealen der »Freien Welt« – anders gesagt, den amerikanischen Wertvorstel lungen – zum Durchbruch verhelfen würde.
Ein Gipfel der Selbsterniedrigung war erreicht, als die Horror bilder der gefolterten und geschundenen irakischen Häftlinge der Kerker von Abu Ghraib die Öffentlichkeit erreichten. Diese sa distischen Auswüchse und die flagrante Mißachtung der elementa ren Menschenwürde gehörten ja auch in den Lagern von Guantá namo und in den Verhörzellen von Bagram, von Kandahar und so manchem anderen Ort offenbar zur Routine eines
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