Die Angst des wei�en Mannes
unserer Epoche ist, hat auch den pazifischen Raum nicht verschont. Wenn im März 2007 die Vereinigten Staa ten von Amerika aus schwindelnder Höhe abgesunken waren und ihr Machtmonopol, ja ihr strahlendes Prestige eingebüßt hatten, so lag das nicht allein an George W. Bush, der in seiner maßlosen Hybris das stolze Flaggschiff USA ebenso besessen an den Rand einer Katastrophe steuerte wie – um bei diesem überstrapazierten Vergleich zu bleiben – der Kapitän Ahab seinen imaginären Vier master dem Untergang ausgeliefert hatte.
»Der verhängnisvollste Präsident der amerikanischen Geschich te«, so ist der frömmelnde Farmer von Crawford von den eigenen Medien geschmäht worden. Das mag übertrieben klingen. Unter seinen Vorgängern befanden sich zweifellos Zufallsberufungen und Dilettanten, die ihm an Kompetenz und Entschlossenheit unterle gen waren. Nur hatte eine Fehlbesetzung im Weißen Haus in frü heren Zeiten nicht so weitgreifende Folgen nach sich gezogen, ja sie wurde jenseits der Grenzen der USA kaum wahrgenommen. Dieser Zustand hatte sich dramatisch geändert, seit Amerika die Rolle der »indispensable nation« ausübt.
Nochbevor George W. Bush sich als »war president« zu profilie ren suchte, hatten – zumal im asiatisch-pazifischen Raum – unge heuerliche Gewichtsverlagerungen stattgefunden. Die Abläufe sind bekannt und sollen hier nur gestreift werden. Von einer monopola ren, auf Washington zentrierten Weltordnung kann nicht mehr die Rede sein kann, seit die US Army ihr Vietnam-Debakel erlitt, vor allem seit die Volksrepublik China in einem historisch einmaligen Kraftakt den Weg zur Weltmacht beschritt.
Nachdem Mao Zedong, dem menschenverachtenden Gründungs kaiser Qin Xi Huangdi nacheifernd, die uralten konfuzianischen Gesellschaftsstrukturen zu zermalmen suchte, wurde China das phänomenale Glück zuteil, in der Person des Pragmatikers Deng Xiaoping einen genialen, verantwortungsbewußten Erneuerer und Reformer zu finden. Noch ist es zu früh, sämtliche Konsequenzen aufzuzählen, die sich aus der Selbstauflösung der Sowjetunion ab leiten werden. Die Frage bleibt offen, welche neue strategische Rolle der Russischen Föderation Putins und Medwedews, die die Nachfolge des Zarenreichs angetreten hat, an ihrer langgestreck ten Pazifikküste zwischen Wladiwostok und Petropawlowsk zufällt.
Wird Moskau im gegnerischen Kräftemessen mit Washington verharren? Oder wird man sich im Kreml gemeinsam mit dem neugewählten Staatslenker im Weißen Haus um die koordinierte Abwehr einer schicksalhaften Strangulation bemühen, die – allen Freundschaftsbeteuerungen aus Peking zum Trotz – die menschen leere Weite Ostsibiriens mit dem erdrückenden demographischen Übergewicht von einer Milliarde Chinesen bedroht?
Mindestens ebenso ungewiß sind das Ausmaß und die Wucht, mit denen eines Tages der militante Islamismus, den Bush mit dem Leichtsinn eines Zauberlehrlings entfesselte, auf die bislang recht verträgliche und gemäßigte Republik Indonesien übergreifen könnte. Wer mag schon garantieren, daß der zahlenstärkste Staat der islamischen Umma mit 220 Millionen Korangläubigen gegen jede Form der religiösen Rückbesinnung gefeit ist. Die benachbarten Inseln des südphilippinischen Archipels, deren Bevölkerung den Indonesiern ethnisch und konfessionell eng verwandt ist, be findensich längst im bewaffneten Aufstand gegen die christliche und proamerikanische Regierung von Manila.
Über den unvermeidlichen Niedergang amerikanischer Weltgel tung, »The Decline of the American Empire«, sind inzwischen zahllose Veröffentlichungen – vor allem aus der Feder amerika nischer Politologen – erschienen. Mindestens ebensooft wurden zuversichtliche Oden angestimmt, um der Unbezwingbarkeit ame rikanischer Energie zu huldigen und der Fähigkeit der USA, ange sichts einer existentiellen Gefährdung wie der Titan Atlas der an tiken Legende neue Kräfte zu sammeln und sich unwiderstehlich aufzuraffen.
Die Dämonisierung eines George W. Bush ist ebenso unange bracht wie die Verwünschungen, die erst in dem Moment zum kon formistischen Chor anschwollen, als der US-Präsident wie der Held der klassischen Tragödie vom selbstverschuldeten Schicksal ereilt wurde. Immerhin hat es dieser Mann in der knappen Frist von acht Jahren fertiggebracht, sein immer noch vor Kraft strotzendes Land radikal zurückzustufen und – was viel schwerer wiegt – das glän zende Bild der Vereinigten Staaten als Vorkämpferin von
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