Die Angst des wei�en Mannes
kläglicher Mißerfolg, als erbärmliche Mangelwirtschaft.
Fasziniert blicken die Touristen auf die altertümlichen Limousi nen der prärevolutionären Epoche – Buicks, Chevrolets, sogar Ca dillacs aus den fünfziger Jahren –, deren mächtige Karosserien durch ständige Reparaturen eine begrenzte Fahrtüchtigkeit bewah ren und sich für prächtige Souvenirfotos eignen. Insgesamt fällt in diesem exotischen Vorposten einer utopischen Weltrevolution die muntere Freundlichkeit, aber auch die lässige Resignation einer ras sisch total vermischten Bevölkerung auf, die – wie Giono sagen würde – in einer intensiv ausgelebten Sexualität das »Brot der Ar men« sucht.
Der spanischen Altstadt von Havanna käme der morbide, melan cholische Charme vermutlich schnell abhanden, falls sich eines Ta ges die Tore für einen unbegrenzten Zustrom von Yankees aus dem Norden öffnen würden. Dann würden die fauligen, morschen Mau ern unter grellem Putz verschwinden und schreiend bunte Plakate der Werbeindustrie ein üppiges Konsumangebot vortäuschen.
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Mir ist nicht entgangen, daß ich zu jedem Zeitpunkt unter Beob achtung der Sicherheitsorgane stehe, daß unser Hotel Saratoga, das unmittelbar auf die gigantische Kuppel des Capitols blickt und in grandiosem Kolonialstil restauriert wurde, scharf bewacht ist. Auch unsere Fahrt zur Schweinebucht, die ohne jede Belästigung oder sichtbare Kontrolle über eine gepflegte Asphaltstraße verläuft, wird registriert. Auf dieser platten Strecke von etwa zweihundert Kilo metern, die von Zuckerrohr- und Obstplantagen gesäumt ist – einen gepflegten Eindruck macht die hiesige Landwirtschaft nicht –, gibt es nichts Auffälliges oder gar Geheimnisvolles zu entdecken.
Das ehemalige Schlachtfeld an der Schweinebucht ist zu einer Art Disneylandausgebaut worden. Ein Panzer und eine Kanone antiker sowjetischer Bauart erinnern daran, daß die damals noch recht bescheidenen Streitkräfte Fidel Castros, durch Verräter gewarnt, bereits in Stellung gegangen waren und die Landungsboote unter konzentriertes Feuer nahmen, noch bevor die »Contras« festen Boden unter den Füßen hatten. In einer supermodern eingerichteten Gaststätte steht ein reichhaltiges Nahrungsangebot für die Bevorzugten bereit, die über Ausländergeld verfügen. Ein riesiges Gemälde im Stil des sozialistischen Realismus verherrlicht die erfolgreiche Abwehr der Invasion.
Die unglückseligen Konterrevolutionäre besaßen im April 1961 nicht die geringste Chance, einen Waffenerfolg zu erringen. Sie wa ren von der CIA nach hartem Training in Nicaragua lediglich mit In fanteriewaffen sowjetischer Produktion ausgestattet worden. Aber im entscheidenden Moment verweigerte ihnen John F. Kennedy die Unterstützung der US Air Force, die der Angriffstruppe fest zuge sagt worden war. Die übermütigen Exilkubaner waren von Washing ton angestiftet und dann schmählich im Stich gelassen worden. An Ort und Stelle kann man sich nur darüber wundern, welcher Stra tege ausgerechnet die Bahía de Cochinos für dieses Himmelfahrts kommando ausgesucht hatte. An der Südflanke des dortigen Stran des von Girón erstreckt sich ein weites Sumpf- und Morastgelände, wo sich lediglich die Alligatoren in ihrem Element fühlen.
Bei den in Florida zahlreichen Castro-Gegnern, die dort Zu flucht vor der Revolution gesucht hatten, schlug John F. Kennedy, dem Mann, den man für dieses Desaster verantwortlich machte, nunmehr blanker Haß entgegen. Das Gerücht wurde nie widerlegt, wonach der tödliche Anschlag auf den Präsidenten in Dallas, den man krampfhaft dem Einzeltäter Lee Harvey Oswald anzulasten suchte, von Verschwörungszirkeln erbitterter und enttäuschter Exilkubaner in geheimer Komplizenschaft mit Elementen der CIA sehr professionell angezettelt wurde.
Fidelsletzter Kamp f
Warum ich die Schlußbetrachtung dieses nach Ozeanien ausgerich teten Kapitels ausgerechnet auf die Karibik-Insel Kuba verlege? Das Datum spielt dabei die entscheidende Rolle. Der Februar 2009 wird in Havanna durch zwei große Ereignisse überschattet. Ganz offen wird über das langsame Dahinsiechen Fidel Castros diskutiert, der nach einem halben Jahrhundert uneingeschränkter Alleinherrschaft über die Zuckerinsel die höchste Verantwortung bereits offiziell an seinen Bruder Raoul delegiert hat. Raoul, der zuletzt als Verteidi gungsminister amtierte, ist weit davon entfernt, das Charisma sei nes um fünf Jahre älteren Bruders zu besitzen. Es fehlt ihm auch die
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