Die Angst im Nacken - Spindler, E: Angst im Nacken
Distrikt-Staatsanwalt.“
„Was kam dazwischen?“
„Ich erkannte meine Grenzen. Ich kenne sie immer noch.“
„Wirklich?“
Er sah sie ungehalten an. „Hör auf damit, alles, was ich sage, mit einer Frage zu beantworten. Du klingst schon wie ein verdammter Seelenklempner. Ich habe keine Lust, mich analysieren zu lassen. Jedenfalls heute nicht.“
„Entschuldige, aber ich weiß einfach nicht, von was für Grenzen du sprichst.“
Mit angespannter Miene erklärte er: „Meine Freunde im Revier sagten immer: Malone ist vielleicht nicht unsere beste Waffe, aber bestimmt unsere schärfste. Oder: Er ist nicht unsere hellste Leuchte, aber er kann die Nacht zum Tag machen.“
Sie japste und entgegnete verärgert: „Bei solchen Freunden brauchst du wirklich keine Feinde mehr!“
„Nur Muskeln und kein Hirn, Anna. Ich habe kaum die High School geschafft und flutschte so im letzten Moment durch. Angeblich habe ich mit meiner Englischlehrerin geschlafen, um bessere Noten zu bekommen.“
„Und? Hast du?“
„Teufel, nein! Sie hatte Mitleid mit mir und gab mir einige Wochen Nachhilfe, damit ich die Prüfungen schaffe.“
„Dann wurdest du Polizist und dachtest, das sei einfach. Du könntest es machen, ohne einen Schweißtropfen zu verlieren, ohne dich allzu sehr anzustrengen.“
„So in etwa.“ Er faltete die Hände vor sich. „Ich bin mit Polizeiarbeit groß geworden. Ich hörte die Gespräche meines Vaters und meiner Onkel, und man erwartete einfach, dass ich in ihre Fußstapfen trat.“
„Und du hast nie gesagt, was du wirklich wolltest?“
„Nein, bis jetzt nicht.“
Sie blickte zum dunkler werdenden Himmel hinauf. „Ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll.“
Er zog die Stirn in Falten. „Seine Grenzen zu erkennen, bedeutet nicht, sich feige zu drücken.“
„Ich habe nicht gesagt, dass du dich feige drückst.“ Sie sah ihn prüfend an. „Empfindest du es denn so?“
„Ich mag Polizeiarbeit. Ich bin gut darin.“
„Aber sie langweilt dich.“ Sie erkannte seine Frustration und seinen unterdrückten Ärger. „Du bist sauer. Etwa auf mich?“
„Nein.“ Er atmete tief durch. „Ich habe mich mit dem Einfachsten begnügt, Anna, das ist die Wahrheit, und das nehme ich mir übel. Polizeiarbeit langweilt mich nicht, aber sie regt mich auch nicht an, und trotzdem mache ich sie.“
„Es ist nie zu spät für Veränderungen.“
„Doch.“ Er fuhr sich mit einer Hand durch das Haar. „Ich bin siebenunddreißig.“
„Praktisch ein Baby.“
„Du bist störrischer als Badeauxs Bulldogge.“
Sie schmunzelte. „Und ich bin hübscher.“
„Allerdings.“ Er nahm ihre Hand und küsste sie. „Also, Anna, wie gefallen dir Cops? Was würdest du davon halten, mit einem zusammen zu sein?“
„Hängt von dem Cop ab.“
„Ja?“
„Ja.“ Sie schloss die Finger um seine. „Da gibt es diesen charmanten Iren, ein bisschen zu selbstsicher in manchen Bereichen und dafür nicht selbstsicher genug in anderen. Mit dem wäre ich gern zusammen, auch wenn er Straßenfeger wäre. Solange es das ist, was er wirklich tun möchte.“
„Anna …“
„Sich zu begnügen, ist schädlich, Malone. Es wird an dir nagen. Ich will nicht irgendwann neben einem Mann aufwachen, der fünfzig ist und sich selbst hasst.“
Sie schwiegen, und die Sonne versank langsam hinter dem Horizont. Anna beugte sich hinüber und nahm sein Gesicht zwischen beide Hände. „Wie ich es sehe, besteht ein großer Unterschied zwischen einem hormongesteuerten Jugendlichen und einem erwachsenen Mann, den es drängt, endlich das zu tun, was er sich wünscht.“ Sie küsste ihn. „Denk darüber nach, Malone. Das ist alles, worum ich dich bitte.“
57. KAPITEL
Dienstag, 6. Februar,
8 Uhr 50.
Anna fuhr gleich am nächsten Morgen zu Ben, um mit ihm zu reden, ehe seine Patienten kamen.
Ihr war klar, dass sie ihn unabsichtlich gekränkt hatte. Ein Mann kam nicht unerwartet mit Blumen vorbei, wenn er nicht starke Gefühle für eine Frau hegte. Es war ihr äußerst unangenehm, dass er sie mit Quentin gesehen hatte.
Seufzend stieg sie aus dem Wagen. Immerhin war sie mit Ben ausgegangen. Sie hatten sich gut verstanden, und als er sie geküsst hatte, hatte sie den Kuss sogar erwidert.
Aber dann war ihr Quentin Malone begegnet, und andere Männer hatten keine Rolle mehr gespielt.
Sie schuldete Ben eine Erklärung, sogar eine Entschuldigung. Sie wollte, dass sie Freunde blieben. Ob das möglich war, hing allerdings davon ab, wie
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