Die Angst im Nacken - Spindler, E: Angst im Nacken
Jaye gemacht?“
„Ich habe mich schon gefragt, wann du dich nach ihr erkundigst. Sie ist natürlich bei mir. Aber ich glaube, das wusstest du bereits.“
„Ist sie … ist sie …“
„Am Leben?“ Sie hörte an seiner Stimme, dass er lächelte. „Ja, ziemlich. Und ich vermute, du möchtest, dass es so bleibt.“
„Da vermutest du richtig.“
Er schwieg eine Weile. Als er wieder sprach, hörte sie an seinem gereizten Ton, dass ihm ihre Haltung nicht gefiel. Offenbar hatte er nicht erwartet, dass sie mutig war. „Hast du aus den Fehlern deiner Eltern gelernt, Harlow?“
„Ich weiß nicht, was du meinst.“
„Spiel nicht die Dumme. Du weißt genau, was ich meine.“
„Was willst du?“
„Wenn du die Behörden einschaltest, wird Jaye sterben. Und wenn du meinen Anweisungen nicht haargenau folgst, stirbt sie auch. Kapiert?“
Benommen vor Angst umklammerte sie den Hörer. „Ja“, erwiderte sie scheinbar ruhig. „Aber ich habe dir nichts zu bieten, kein Lösegeld, keine Juwelen. Ich besitze nichts …“
„Ich will dich, meine Liebe. Der Preis für Jaye Arcenaux ist das Leben von Harlow Anastasia Grail.“
62. KAPITEL
Mittwoch, 7. Februar,
12 Uhr 45.
Anna legte den Hörer auf, schnappte sich ihre Tasche und rannte zur Tür. Es kam ihr gar nicht in den Sinn, sich Kurt zu widersetzen, obwohl sie wusste, dass er sie umbringen wollte. Sie tauschte ihr Leben gegen Jayes, ein Handel, den sie bereitwillig abschloss. Das hier war eine Sache zwischen Kurt und ihr; Jaye war ein unbeteiligtes Opfer.
Letztlich schloss sich der Kreis.
Anna sah auf ihre Uhr. Ihr blieb nicht viel Zeit. Kurt hatte ihr nur zwanzig Minuten bis zu ihrem ersten Stopp gelassen, ein Münzfernsprecher an der Shellstation der Interstate 10, West Expressway in Metairie. Falls sie sich verspätete, hatte er gewarnt, würde Jaye den Preis zahlen.
Einen Finger. Ihren rechten kleinen Finger. Er hatte zehn Stopps eingeplant, alle zeitlich eng bemessen. Einen für jeden Finger ihrer Freundin.
Ich werde mich nicht verspäten, schwor sie sich und verließ ihre Wohnung. Als sie ihre Tür abschließen wollte, hätte sie fast hysterisch gelacht. Was machte es schon, wenn sie ausgeraubt wurde? In wenigen Stunden war sie vermutlich tot.
Sie ließ die Tür unverschlossen und rannte die Treppe hinunter, sich jeder verstreichenden Sekunde bewusst. Unten stieß sie mit Bill zusammen, der sie auffing und festhielt.
„He, Anna, wo brennts?“
„Lass mich los!“ Sie entwand sich ihm. „Ich muss weiter.“
„Warte!“ Bill hielt sie besorgt am Arm fest. „Mein Gott, Anna, was ist los, was ist pas…“
„Bitte … Jaye braucht mich! Ich darf mich nicht verspäten. Er tut ihr sonst was an. Er bringt sie um!“
Bill wurde bleich. „Ich rufe die Polizei.“
Diesmal hielt sie ihn fest. „Nein! Das darfst du nicht! Er bringt sie um! Versprich mir, dass du das nicht tust!“
„Ich kann nicht … ich …“
„Es wird alles gut. Bitte, tu es für Jaye.“
„Okay, Anna, ich verspreche, ich …“
„Danke.“ Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und drückte ihm einen Kuss auf die Wange. „Sag Dalton, dass ich mich verabschiedet habe.“
63. KAPITEL
Mittwoch, 7. Februar,
12 Uhr 50.
Quentin blickte auf Louise Walkers im Tode erstarrtes Gesicht. Offenbar war sie erstickt worden. Nach der Leichenstarre zu urteilen, war der Tod vor etwa 6 bis 8 Stunden eingetreten. Das hieß, sie war in der letzten Nacht ermordet worden. Die Schwestern hatten den Tod erst nach dem Frühstück entdeckt. Zunächst hatte man unterstellt, sie habe lediglich länger geschlafen. Dann hatten sie vermutet, sie sei im Schlaf einem Herzschlag erlegen.
Blut und andere Partikel unter ihren Fingernägeln deuteten jedoch auf etwas anderes hin.
„Er hat wahrscheinlich eines ihrer Kissen benutzt“, bemerkte Quentin leise und richtete sich auf. „Sie hat sich kratzend gewehrt. Nach der Materie unter ihren Fingernägeln zu urteilen, muss er ziemlich zerkratzt aussehen.“ Er drehte sich zum nächsten Officer um. „Sorgen Sie dafür, dass die Spurensicherung die Nägel an beiden Händen säubert. Ich will alles im Labor haben.“ Dann wandte er sich an die beiden Schwestern, die sich in den Türrahmen drängten. Die eine hatte Nachtschicht gehabt, die andere hatte heute Morgen Louises Tod bemerkt. „Haben Sie ihren Sohn benachrichtigt?“
Die Schwester von der Morgenschicht antwortete: „Wir haben es versucht. Wir … ich habe angerufen und mehrere Nachrichten
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