Die Angst im Nacken - Spindler, E: Angst im Nacken
beeinflusst jeden Schritt Ihres Lebens. Das ist gefährlich und tut Ihnen überhaupt nicht gut.“
Sie sah ihn verblüfft und mit leichtem Unbehagen an. „Ich könnte Ihnen jetzt sagen, dass das nicht stimmt.“
„Aber das werden Sie nicht. Weil Sie ein ehrlicher Mensch sind.“
Zu ihrer eigenen Überraschung musste sie tatsächlich lachen. „Sie wissen aber auch alles, was?“
„Was soll ich dazu sagen? Ich bin ein kluger Bursche.“ Er lächelte mit Grübchen in den Wangen. „Und ein reizender Bücherwurm.“
Das war er wirklich: reizend, klug und lustig. Sie mochte intellektuelle Männer. Besonders, wenn sie Humor hatten. Ben Walker war der Typ Mann, mit dem sie gerne zusammen war. Sie ließ die Hände in den Schoß fallen. „Ich bin immer noch ein bisschen verwirrt darüber, wie Sie mich gefunden haben.“
„Meine Freundin bei B.B.B.S.A …?“
„Nein. Was ging dem voran? Sie haben zufällig die E! Sondersendung eingeschaltet und dann?“
Ben sah kurz auf seine Hände, ehe er den Blick wieder hob. „Ich stieß auf Ihr Buch Killing Me Softly . Alles andere ergab sich von selbst.“ Er verschränkte die Finger ineinander. „Seit meiner Kindheit interessiere ich mich für Ihre Geschichte. Und während ich die Sendung sah, kam mir der Gedanke, dass Ihre Geschichte ideal in mein Buch passt. Ihr Trauma war einzigartig und mit keinem meiner anderen Fälle zu vergleichen.“
„Wo sonst findet man schon eine entführte Hollywoodprinzessin?“
Mit ernster Miene erklärte er: „Die meisten entführten Kinder kehren nicht nach Hause zurück. Sie sind eine Ausnahme.“
Timmy hat es nicht nach Haus geschafft. Nur ich hatte Glück.
„Also, was sagen Sie? Es tut nicht weh, das verspreche ich.“
Das bezweifelte sie. Der bloße Gedanke an ihre Vergangenheit verursachte ihr schon Magenschmerzen. „Ich denke darüber nach. Ernsthaft.“
Er schien leicht enttäuscht. „Oft ist der erste Schritt der schwerste. Aber natürlich will ich Sie nicht drängen, Sie müssen es entscheiden.“
Sie mochte ihn mit jeder Minute mehr und erwiderte lächelnd: „Ich weiß. Doch ich brauche ein wenig Zeit. Ich hoffe, Sie sind nicht zu enttäuscht.“
„Ich bin schon groß, ich werde damit fertig.“
Nachdem sie bezahlt hatten und das Café verließen, sagte
Anna: „Ich gehe hier entlang.“ Sie deutete Richtung St. Louis Kathedrale. „Wohin gehen Sie?“
„Ich parke bei der Jax Brauerei.“
„Dann auf Wiedersehen.“ Fröstelnd schob sie die Hände in die Taschen, als der kalte Wind um sie fegte.
„Hoffentlich bis bald.“ Er beugte sich vor und berührte mit den Lippen flüchtig ihre Wange. „Es war schön, mit Ihnen zu reden, Anna. Rufen Sie mich an.“
Ohne ihre Antwort abzuwarten, wandte er sich ab und ging davon.
15. KAPITEL
Donnerstag, 18. Januar,
19 Uhr 15.
Ben lag allein im Dunkeln auf seinem Bett. Er atmete bewusst tief ein und aus. Die warme Kompresse auf seiner Stirn kühlte rasch ab. Zu rasch.
Der Kopfschmerz, der ihn schon den ganzen Tag quälte, war bei seinem Treffen mit Anna wiedergekehrt und mit jeder Minute des Zusammenseins stärker geworden. Allerdings war er erträglich gewesen, bis er seinen Wagen erreicht hatte.
Es war ihm noch gelungen, die Tür aufzuschließen und sich auf den Sitz fallen zu lassen. Wie er es nach Hause geschafft hatte, wusste er nicht. Aber er hatte es, denn er war offensichtlich hier.
Er schloss die Augen. Die Tabletten, die ihm der Arzt verschrieben hatte, brachten gnädige Erleichterung. Er dachte an sein Treffen mit Anna und an den Abschied. Sie hatte ihm nachgesehen, als er davongegangen war. Er hatte ihren Blick deutlich im Rücken gespürt und sich umgedreht. Sie hatte dagestanden, eine Hand an der Wange, die er geküsst hatte. Dabei hatte sie erstaunt und erfreut gewirkt, jedenfalls hatte er es so gedeutet.
Er dachte noch einmal an ihre Unterhaltung. Anna war an seiner Arbeit interessiert gewesen, und er hatte sich mehr geöffnet und ihr mehr mitgeteilt, als er das gewöhnlich tat. Sie waren gut miteinander ausgekommen.
Alles war ungetrübt verlaufen, bis er auf ihre deformierte Hand gestarrt hatte. Das war beunruhigend für sie gewesen, doch sie war gut damit umgegangen. Und er hatte wahrheitsgemäß gesagt, dass es ihm gar nicht bewusst gewesen war.
Schon ein Leben lang litt er unter solchen Momenten, in denen er fast einen Blackout hatte. Jedoch hatte ihre Häufigkeit in den letzten Monaten zugenommen, genau wie seine chronischen
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