Die Angst im Nacken - Spindler, E: Angst im Nacken
der Privatsphäre sehr leicht zu beschaffen. Bis gestern Nacht war er damit zufrieden, dir nur Angst zu machen.“
„Aber das genügt ihm nicht mehr.“
„Nein, offenbar nicht.“
Sie stand auf und legte ihm eine Hand auf den Arm. „Warum hoffe ich nur so sehr, dass es nicht Kurt ist, der mich verfolgt? Wenn er es nicht ist, ändert das im Grunde gar nichts. Ein Monster, das ich kenne, ist auch nicht schlimmer als eines, das ich nicht kenne.“
„Ich erwische den Kerl, Anna. Ich lasse nicht zu, dass er dir noch einmal nahe kommt.“ Sein Pieper auf dem Tresen neben dem Telefon meldete sich ein zweites Mal. Quentin wurde sich bewusst, wie viel Zeit seit dem Anruf vergangen war. „Ich muss gehen, Anna. Ich möchte nicht, aber …“
„Geh.“ Sie trat einen Schritt zurück und schlang die Arme um sich. „Du hast einen Job zu erledigen.“
„Ich lasse dich ja nicht allein“, versuchte er sie zu trösten. „Ehe ich gehe, rufe ich noch das Revier an und lasse einen Beamten herkommen.“
Sie lehnte ab. „Nein, ich will keinen Fremden hier haben. Ich rufe Dalton und Bill, sie kommen herüber.“ Da er die Stirn runzelte, betonte sie ungehalten: „Sie sind meine Freunde, Malone. Sie würden mir nie etwas antun.“
Wenn er auch nur den kleinsten Hinweis darauf hätte, dass ihre Nachbarn nicht das waren, was sie zu sein schienen, würde er mit ihr streiten. Doch diesen Hinweis gab es nicht. „Ich ziehe mich an. Ruf die beiden an, ich warte, bis …“
„Meine Babysitter kommen? Danke.“
Er holte seine Sachen und verschwand im Bad, um sich zu waschen und mit Hilfe des Zeigefingers und Annas Zahnpasta die Zähne zu putzen.
Als er zurückkehrte, trug Anna Khakihosen und einen weißen Pulli. Sie hatte sich das Haar zurückgekämmt, das mit einer großen Spange im Nacken gehalten wurde.
Sie vermied es, ihn anzusehen.
„Anna“, sagte er leise und streckte bittend die Hand aus. „Sei nicht böse. Ich möchte nicht gehen, aber …“
„Ich bin nicht böse, und ich bin nicht enttäuscht. Du musst deinen Job machen.“
Er spürte die Distanz zwischen ihnen größer werden. „Dann sieh mich an“, bat er leise. „Ich möchte sicher sein, dass alles okay ist mit dir.“
„Lass mich bitte. Wenn du mich berührst, breche ich in Tränen aus.“ Sie presste die Lippen aufeinander, damit sie nicht bebten. „Ich kann es mir nicht leisten zusammenzubrechen.“
Es klopfte an der Tür, und Dalton gab sich zu erkennen.
„Ich rufe dich an, sobald ich mehr weiß“, versprach Quentin auf dem Weg zur Tür, und Anna öffnete.
Dalton und Bill stand die Verblüffung ins Gesicht geschrieben, als sie Quentin sahen. Einen Moment starrten sie ihn nur sprachlos an. Daltons Wangen wurden rot, und Bill sah fragend von Anna zu Quentin und zurück.
Der Bursche wirkt ja nicht gerade glücklich, mich zu sehen.
„Morgen, Leute“, grüßte er leichthin. Er wandte sich Anna zu und gestand sich ein, noch nie so ungern zu einem Tatort gefahren zu sein. „Ich rufe an.“
Er beugte sich vor und küsste sie. Als sich ihre Lippen flüchtig berührten, meldete sich sein Pieper erneut. Zweifellos wollte das Revier endlich wissen, wo er steckte. Trotzdem nahm er Anna kurz in die Arme. „Sei vorsichtig heute. Falls du etwas brauchst …“
„Geh“, sagte sie, entzog sich ihm und presste kurz die bebenden Lippen zusammen. „Finde den Kerl und zieh ihn aus dem Verkehr. Tu es für mich.“
40. KAPITEL
Dienstag, 30. Januar,
French Quarter.
Quentin erschien als Letzter am Tatort. Den anderen Detectives zunickend, bahnte er sich seinen Weg zu dem Opfer. Er blieb neben ihm stehen, und sein Herz schlug angstvoll.
Er musste ruhig, unbeeindruckt und professionell bleiben, doch diesmal ging das nicht. Er sah die Tote, und er sah Anna in ihr.
Der Täter hatte sie an Annas Stelle umgebracht.
Tief durchatmend, ermahnte er sich, vernünftig zu bleiben. Er konnte nicht mit Sicherheit sagen, ob der Killer tatsächlich Anna gemeint hatte oder nicht. Voreilige Schlüsse brachten ihn nicht weiter. Er musste sich auf den Tatort und die Beweise konzentrieren und durfte seine Schlussfolgerungen nicht von Emotionen bestimmen lassen.
Johnson schlenderte heran. „Hast dir ja ganz schön Zeit gelassen, Malone.“
„Leck mich, Johnson.“
Der Detective grinste. „Nein, danke. Ich lege Wert auf ein gewisses Niveau.“
Quentin johlte. Johnson war berüchtigt für seinen schlechten Geschmack in puncto Frauen. „Was wissen wir bis
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