Die Angst im Nacken - Spindler, E: Angst im Nacken
jetzt?“
„Sie hieß Jessica Jackson, einundzwanzig, klug und hübsch. Studentin an der Tulane.“
Einundzwanzig. Scheiße! „Zu jung“, murmelte Quentin. „Viel zu jung, um zu sterben.“
„Kann man wohl sagen. Der Kerl treibt mich langsam in den Wahnsinn.“ Johnson fuhr sich mit einer Hand über das Gesicht. „Walden klappert die Umgebung ab. Vielleicht hat jemand was gehört oder gesehen.“
Quentin betrachtete den gewöhnlich lakonischen Detective. Der wirkte müde und frustriert. „Du hast von dem anderen Überfall heute Nacht gehört?“
„Anna North? Ja, ich habs gehört.“ Er sah Quentin an. „Der Modus Operandi passt nicht. Anna North wurde zu Hause überfallen, und sie war nicht zum Tanzen aus.“
„Sie hat rotes Haar. Vor einer Woche war sie im Tipitina, danach ist ihr jemand gefolgt. Er wurde verscheucht.“
Johnson dachte nach und verengte dabei leicht die Augen. „Es lohnt sich, da nachzuhaken. Vielleicht …“
„Da ist noch mehr. Ich denke, unser Täter hat für sie seine Vorgehensweise geändert.“
Johnson zog verblüfft die Brauen hoch. „Wie kommst du denn darauf?“
„Anna North fehlt der rechte kleine Finger.“
Johnson stieß einen leisen Pfiff aus. „Und diesem Opfer auch. Er hat ihn ihr abgeschnitten.“
Quentin ging neben dem Opfer in die Hocke. Sein Blick wanderte über den Körper und die Umgebung. Dabei wurden ihm die Unterschiede zwischen diesem und den vorherigen Tatorten bewusst.
Das Offensichtlichste war die blutige rechte Hand. Quentin betrachtete sie mit gefurchter Stirn. Der Killer hatte den Finger nicht ordentlich abgetrennt, sondern darauf herumgehackt. Das Fleisch rings um die Wunde war zerfasert und eingerissen. Es sah aus, als hätte er mit einem Schweizer Armeemesser oder einem anderen, nicht tödlichen Instrument daran herumgesägt.
Der Täter war auf die Amputation nicht vorbereitet.
„Nach der Wunde und der Menge und Farbe des Blutes zu urteilen, hat er ihr den Finger nach dem Tod abgetrennt“, meinte Johnson und ging neben ihm in die Hocke.
Quentin stimmte zu. Er betrachtete das Gesicht der Frau. Sie war hübsch gewesen, bildhübsch sogar. Ihr Haar war von Natur aus rot. Blaue Augen. Schöne ebenmäßige Gesichtszüge.
„Er hat hier nicht so sauber gearbeitet wie bei den anderen“, stellte Quentin leise fest. „Sieh dir die Quetschungen in Gesicht und Nacken an.“ Er deutete auf das blutverklebte Haar an der Seite des Kopfes. „So etwas hatten wir bei den anderen Opfern nicht.“
„Glaubst du, dass wir es mit demselben Täter zu tun haben wie bei Kent und Parker?“
„Ich vermute, ja. Aber gegenwärtig ist es wirklich nur eine Vermutung.“
„Sieht so aus, als wäre sie vergewaltigt worden.“
„Wenn es derselbe Täter war, war er offenbar über irgendetwas sehr aufgebracht, ja sogar in Rage. Deshalb ging er nicht mit der gleichen Sorgfalt vor wie sonst. War wohl gezwungen, in letzter Minute seinen Plan zu ändern.“
„Du denkst, er wollte eigentlich Anna North umbringen? Als das nicht gelang, suchte er sich einen Ersatz?“
„Und schnitt ihr einen Finger ab, damit sie Anna North symbolisierte.“ Vielleicht sollten alle Opfer Anna symbolisieren. „Ja.“
„Aber wieso hat er so schnell eine Rothaarige als Ersatz gefunden?“
Quentin dachte darüber nach. „Vielleicht musste er gar nicht lange suchen. Vielleicht durchstreift er die Clubs und merkt sich Frauen, die dort viel anzutreffen sind. Möglicherweise macht er sich eine Liste und lernt die Lebensgewohnheiten der Frauen kennen, wann und wie oft sie ausgehen und wohin. Wo sie parken, auf welchem Weg sie heimfahren und so weiter.“
„Er macht eine Liste und überprüft sie immer mal wieder“, setzte Johnson grimmig seine Theorie fort. „Als Anna North ausfällt, sucht er sich rasch eine andere von der Liste.“
Er wird auf Anna zurückkommen.
Als lese er Quentins Gedanken, sagte Johnson leise: „Du denkst, er versucht es noch mal bei ihr?“
Quentin stand auf, ihm war elend. „Er will Anna North. Und er ist jetzt frustriert, weil sie ihm entwischt ist.“
„Stellen wir ihr einen Uniformierten zur Seite. Falls unser Täter sich an sie ranmacht, haben wir ihn.“
Quentin nickte. „Keine Risiken“, entschied er, sah Johnson an und betonte: „Ich will bei Anna North nicht das kleinste Risiko eingehen.“
41. KAPITEL
Dienstag, 30. Januar,
Stadtmitte.
Ben kam langsam zu Bewusstsein. Er hatte Kopfschmerzen, und der ganze Körper tat ihm weh. Voller
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