Die Angstmacher

sondern Unternehmen auch Schulungen angeboten. Mit speziellen Präventionsstrategien sollten Personalverantwortliche und andere lernen, was sie dürfen und was nicht. Im Hause R+V selbst hat das offenbar nicht viel gebracht. Die von den Versicherungsunternehmen vorausgesagte Prozesswelle wegen Diskriminierung ist bislang ausgeblieben. Deutsche Firmen schlagen sich nicht massenhaft mit Ansprüchen herum, die schlecht behandelte Beschäftigte stellen. Für Aufsehen sorgte aber ein Fall, bei dem eine Mitarbeiterin ausgerechnet die R+V verklagte.Die Außendienstmitarbeiterin Sule Eisele-Gaffaroglu zog vor Gericht, weil sie nach der Rückkehr aus dem Mutterschutz nicht an ihren alten Posten zurückkonnte, sondern einen schlechteren bekam. Ihren alten Platz hatte ein deutschstämmiger Mitarbeiter bekommen. Sie verlangte die für deutsche Verhältnisse gigantische Summe von 433 000 Euro Schadensersatz für das geringere Einkommen sowie ein Schmerzensgeld von 44 000 Euro. Die Richter des Arbeitsgerichts Wiesbaden stellten eine Benachteiligung der Frau aufgrund ihres Mutterschaftsurlaubs und damit ihres Geschlechts, keine wegen ihrer Herkunft fest. Trotz der festgestellten Diskriminierung fiel die Entschädigung angesichts der geforderten Summe gering aus. Die studierte Germanistin bekam rund 10 800 Euro. In den USA hätte das sicher anders ausgesehen.
    Neue Situationen erfordern neue Policen. Der Direktversicherer CosmosDirekt reagierte auf die Veränderung der Haftung beim Missbrauch von EC- oder Kreditkarten. »Bringen Sie Ihr Geld in Sicherheit«, wirbt der Versicherer, der nach eigener Aussage ja »nicht verkauft, sondern gekauft wird«: »Schnell ist es passiert – ein Taschendieb entwendet Ihre Kreditkarte und kauft auf Ihre Kosten ein. Oder ein Krimineller verschafft sich online Zugang zu Ihren Kontozugangsdaten und transferiert Geld von Ihrem Konto.« Der Versicherer spielt mit der Angst vor Internetkriminalität. Er flankiert sein Angebot mit Pressestimmen, in denen die Rede ist vom »Betrugsboom beim Onlinebanking«. Für das neue Angebot hat Vorstandschef Peter Stockhorst gar den »Innovationspreis« namens »Goldener Bulle« von Axel Springer Financial Media entgegennehmen dürfen.
    Der Hintergrund für das neue Angebot war die Verschärfung der Haftung zuungunsten der Kunden durch die EU-Zahlungsdienste-Richtlinie. Verlieren Bankkunden ihre Kontokarte und Kriminelle räumen damit ihr Konto leer, haften sie mit bis zu 150 Euro. Banken können aber auch eine geringere Selbstbeteiligung vorsehen. Hat sich der Kunde jedoch grob fahrlässig verhalten, bleibt er auf dem vollen Schaden sitzen. Von einer groben Fahrlässigkeit gehen die Geldinstitute aus, wenn der Dieb die Geheimnummer oder die Transaktionsnummer benutzt. Der Kunde steht dann vor der Herausforderung zu beweisen, dass er keinen groben Fehler begangen hat. Das ist schwer. CosmosDirekt setzt an der Angst vor so einer Lage an. Der »Kontoschutzbrief« kommt für Schäden auf, die durch Missbrauch durch das Abheben von Geld am Automaten durch Diebe und durch bargeldloses Bezahlen von Waren beim Online-, Telefon- oder E-Mail-Banking entstehen, und zwar bis zu einem Schaden von 50 000 Euro.
    Kreditkarten enthalten oft versteckte Versicherungen. Kauft der Besitzer etwas damit, ist der Gegenstand versichert. Beim Buchen einer Reise mit Kreditkarte ist der Nutzer automatisch unfallversichert. An vielem hängt Versicherungsschutz, dem Autoschutzbrief, der Mitgliedschaft im Berufsverband oder der Gewerkschaft, dem Sportverein. »Der Verbraucher hat heute überhaupt keinen Überblick mehr, wo er überall Versicherungsschutz hat«, konstatiert Verbraucherschützer Gatschke. Umsonst ist das nicht. Und die Branche freut’s. »Kleinvieh macht auch Mist«, sagt Gatschke.
Unfallversicherungen
    »Sitzen Sie in Ihrer Freizeit nur auf der Couch? Wenn nicht, dann ist eine Unfallversicherung ein Muss für Sie. Woher bekommen Sie sonst das Kapital für einen behindertengerechten Umbau Ihrer Wohnung oder einen Ausgleich für Ihren Verdienstaufall, wenn Sie ein Schicksalsschlag trifft? Oder Hilfe im Haushalt, falls Sie sich – und Ihre Familie – eine Zeit lang nicht selbst versorgen können?«, fragt die Allianz Versicherung. Zu den Versicherungen, mit denen die Branche richtig gut verdient, gehören Unfallversicherungen. Den Kunden ist selten klar, unter welchen Umständen der Versicherer überhaupt zahlt. Die Bedingungen der Anbieter sind höchst unterschiedlich.