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Die Angstmacher

Die Angstmacher

Titel: Die Angstmacher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anja Krueger
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Kosten für die Verschiebung. Die vom Einbrecher geklauten Trauringe ersetzt er ebenso wie das verbrannte Brautkleid. Die wirklichen Risiken des Lebens bleiben wieder einmal außen vor: Hat die Braut ihr Kleid Monate vor der Hochzeit gekauft und inzwischen einige Pfunde zugelegt, gibt es keine Entschädigung. Billig ist der Spaß nicht. Für die Basisdeckung in Höhe von 15 000 Euro zahlen Kunden einmalig stolze 340 Euro.
    Nervenschonung muss man sich leisten können, aber dann braucht man eigentlich auch keine Versicherung mehr. Auch andere Anbieter wie die Hanse Merkur und die Helvetia füllen sich mit so etwas die Kassen. Mit solchen Policen können Interessierte auch die Feier zur Gold- oder Silberhochzeit versichern. Doch so weit kommen viele gar nicht. Wer nach demJawort an die finanziellen Folgen einer Trennung denkt, kann auf die Scheidungs-Rechtsschutzpolice des Düsseldorfer Familienunternehmens ARAG setzen. Die handelsüblichen Verträge schließen Scheidungskosten aus. Paare müssen mindestens drei Jahre verheiratet sein. Sonst nützt auch der Zusatzbaustein von der ARAG nichts.
    Auch am Nachwuchs wollen die Unternehmen gut verdienen. Omas und Opas sollen zur Geburt von Enkeln völlig überteuerte Ausbildungs- und andere Sparverträge abschließen. Am liebsten würden die Versicherer jedem Elternteil, das sich ehrenamtlich im Verein für den Erhalt des Stadtteil-Spielplatzes engagiert, eine D&O-Versicherung andrehen. Mit der Directors’ and Officers’ Liability können Unternehmen ihre Topmanager dagegen versichern, dass diese für einen Fehler im Beruf mit ihrem persönlichen Vermögen haften müssen. Einer breiten Öffentlichkeit bekannt wurden diese Verträge als »Puff-Policen«. Der US-amerikanische Versicherer AIG – ja, das ist der einst größte Versicherer der Welt, der mit versicherungsfremden Geschäften einen Riesen-Crash hingelegt hat und vom amerikanischen Steuerzahler gerettet werden musste – zahlte für die Verfehlungen von Peter Hartz als VW-Vorstand. Hartz hatte unter anderem Lustreisen für Betriebsräte organisiert. Für den Schaden, den er VW zugefügt hat, bekam das Unternehmen eine Entschädigung in Millionenhöhe von AIG. Das Topmanagement in Deutschland ist mit solchen Policen eingedeckt, jetzt stürzen sich die Anbieter auf die Geschäftsführer in kleineren Unternehmen. Wie groß das Risiko überhaupt ist, dass ein Geschäftsführer belangt wird, weiß kein Mensch. Die Versicherer weigern sich hartnäckig, Zahlen zu Ausgaben für Schäden zu veröffentlichen. Aber dafür malen sie die Gefahren gerne groß aus – für die Führungskräfte kleiner Firmen ebenso wie für ehrenamtlich Tätige in Vereinen, Verbänden und Stiftungen.
    Auch und gerade Gewerbetreibende sind im Visier der Produktentwickler. Kaum gibt es ein neues Gesetz, gibt es auch den passenden Versicherungsschutz. Eigentlich braucht jeder Friseursalon eine Umweltschaden-Haftpflicht-Police. Neuerdings müssen Schäden, die man der Natur angetan hat, wiedergutgemacht werden. Coiffeure hantieren bekanntlich mit gefährlichen Chemikalien. Killen sie versehentlich die benachbarte Hamsterkolonie, wird es teuer. Oder das Antidiskriminierungsgesetz: Seit Inkrafttreten des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes 2006 haben Menschen, die diskriminiert werden, Anspruch auf eine Entschädigung. In den USA ist das schon lange so, dort können Menschen aufgrund einer Diskriminierung hohe Schadensersatzforderungen stellen und nicht selten durchsetzen. Für die Versicherungswirtschaft war das ein hervorragender Ansatz, um schillernde Angstszenarien zu entwerfen. Die sogenannten AGG-Versicherungen versprachen Beruhigung. Besonders gut lief der Absatz beim Versicherer R+V, der seine Verträge über die Volks- und Raiffeisenbanken verkauft und über sie einen guten Draht zu kleineren und mittelgroßen Unternehmen hat. Das Besondere an dem Gesetz ist, dass Arbeitgeber Beschäftigte auch vor der Diskriminierung von Kollegen schützen müssen. »Ein unbedachter Lapsus kann für das Unternehmen teuer werden«, hieß es in den Werbematerialien der R+V, die den Beschäftigten ihrer Kunden offenbar einiges zutraute, wie die Beispiele für potenzielle Versicherungsfälle zeigen: »In der Firma gibt es einen homosexuellen Kollegen, niemand ruft ihn beim Namen, alle nennen ihn nur ›Schwuchtel‹« oder »Ein farbiger Mitarbeiter wird in der Firma nur ›Choco Crossie‹ gerufen«.
    Die Versicherer haben nicht nur AGG-Policen verkauft,

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