Die Angune (German Edition)
federnden Klinge auch keine guten Hiebwaffen gegen schwere Panzerungen. Aber von Meisterhand geführt, konnten die messerscharfen Säbel dickstes Büffelleder glatt durchschneiden und mühelos Gliedmaßen abtrennen.
In einer Tasche seines Lederhemdes trug er eine Garrotte versteckt. Der messerscharfe Draht war gedacht um unaufmerksame Wachen blitzschnell und lautlos zu enthaupten. Es war eine ehrfurchtgebietende Waffe, denn bei unachtsamem Gebrauch konnte sie auch die eigenen Finger abtrennen.
An seiner linken Hüfte hing ein spitzer Scheibendolch. Der wunderschönen Klinge aus Wootz -Stahl würde heute Nacht die meiste Ehre beschienen sein. Scharf wie ein Skalpell würde das spitze Blatt blitzschnell zwischen zwei Halswirbel hinein gleiten und zahlreiche Genicke durchtrennen.
An der rechten Hüfte hingen ein kurzes Blasrohr und ein kleiner Behälter mit nadelgroßen Giftpfeilen, falls er einen Gegner aus der Distanz lautlos töten musste.
An beiden Oberschenkeln, schlussendlich, waren jeweils eine Tasche am Beinkleid angebracht, in der fünf Wurfmesser steckten.
Der Assassine öffnete die Augen wieder. Vor ihm, auf e inem Balken stand eine kleine Skulptur, die knapp eine Handbreit hoch war. Vor einer angedeuteten Wand stand eine rudimentäre Figur als allegorische Darstellung des Lichtbringers. Daran ließen die Augen der Figur keinen Zweifel, in denen das violette Feuer von zwei winzigen Körnern Luciladium leuchtete.
Der Dunkelalb starrte - ohne einmal mit den Lidern zu fl ackern - auf das schwache, violette Licht, dessen schwacher Schein sich in seinen schwarzen Augen wiederspiegelte. Die Erregung, die ihn bei den Vorbereitungen zu seinem nächtlichen Einsatz erfasst hatte, wich langsam aus seinem Körper. Ruhe und Gelassenheit machten sich in ihm breit. Falls er an den Tagen vorher noch irgendwelche Zweifel gehabt hatte, den Ansprüchen seines Vaters nicht gerecht zu werden, so legten sich jetzt violette Nebelschwaden über diese Gedanken, die an seinem Selbstbewusstsein genagt hatten.
Der Dunkelalb hob die kleine Figur ganz vorsichtig auf, so als könnte sie jeden Moment in seinen schwieligen Händen zerspringen, wickelte sie in ein Tuch ein und schob sie bedäc htig unter das Lederhemd. Dann stand er auf, schaute sich noch einmal um, um sich zu vergewissern, dass hier oben im Dachstuhl nichts auf seine Anwesenheit schließen lassen würde, und ließ sich vorsichtig und elegant wie ein durchtrainierter Turner zwischen zwei Balken hinuntergleiten. Vier Meter Fallhöhe waren kein Problem für den flinken Assassinen. Geschmeidig wie eine Katze landete er im Hof der Festung.
Die Frau mit dem kupferroten Haar, die von der Maga Dran'ja Do'ul Corón respektvoll als Angune bezeichnet wurde, hatte in der Herberge einen kleinen, wenn auch fensterlosen Raum für sich bekommen, und brauchte nicht, wie viele andere Gäste, in einem der großen Schlafräume zu übernachten. Dieses kleine schmale Zimmer sollte der Frau und ihrem Säugling etwas Geborgenheit geben. Eine junge Sklavin aus Rassagard schlich sich zwei oder dreimal in der Nacht in ihr Zimmer, um das Neugeborene der Frau zu stillen. Die Sklavin machte es gerne, denn für diesen Dienst wurde sie von der fremden Frau gut entlohnt.
Die Frau ruhte auf einem langen, mit Wolle vollgestopfte m dicken Kissen aus Leinen, das auf einem Lattenrost lag. Der Füllung haftete noch immer ein starker Geruch ihres vorherigen Trägers - eines Schafes - an, aber sie war trotz der geruchlichen Belästigung sehr angenehm. Mit einer Decke aus zusammengenähten Kaninchenfellen hatte die Frau sich zugedeckt.
Trotz der kuschligen Unterlage war es allerdings eine sehr unruhige Nacht für die Frau. Alle paar Sekunden warf sie den Kopf hin und her, und trat unter der Felldecke mit den Füssen nach etwas.
Das Kind, die kleine Mah'shday, bekam von alledem nichts mit. Es lag auf dem Bauch in einer kleinen, grob zusammengezimmerten Holzwiege und schlief tief und fest.
Draußen zerrte eine Windböe an Sagramits Kleidung. Es war der kalte Wind aus dem Reich der Eiskönigin, der durch die Tundra herauf jagte und immer größere Löcher in das Einheitsgrau der Regenwolken riss, die seit zwei Dekadomen den Himmel bedeckten. Der böige Wind kündigte einen Wetterumschwung in den Bergen an.
Der Assassine fröstelte leicht, als eine erneute Bö an seiner Lederjacke zerrte, und trotzdem war er dem kalten Boten der Eiskönigin denkbar für das was er tat. Denn Nadeva, die schwarze Sonne,
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