Die Angune (German Edition)
entstehenden Vertiefungen hatte man fein säuberlich mit blauen, oder eher türkisfarbenen Pigmenten aufgefüllt. Im oberen Teil besaß der Kieselstein ein Bohrloch, und im Loch saß ein bronzefarbener Ring, der an einem Ledersenkel mit quadratischem Querschnitt hing.
Zurück in der Wohnung, hielt sie das Amulett hoch und fragte sich was sie damit anstellen sollte. Es hatte weder einen materiellen noch einen ideellen Wert. Für einen Moment b ereute Cornelia, der alten Frau das Amulett nicht abgekauft zu haben.
Und jetzt soll sie tot sein!?
Nein, das Amulett sollte nicht im Mülleimer landen, entschied Cornelia. Sie wusste noch nicht wohin damit, aber es sollte nicht auf dem Müll landen. In der Küche hatte sie eine Schublade mit allerlei Krimskrams, und sie legte das Amulett hinzu. Als sie die Schublade wieder zugedrückt hatte, war das Amulett kein Thema mehr. Die Gedanken an die alte Frau aber beschäftigten sie noch eine ganze Weile.
Wie nah doch manchmal Glück oder Unglück an einem vorbeischrammten!
Heute war Cornelia bloß eine harmlose Zeugin in einem unbedeutenden Todesfall einer alten, einsamen Frau, an die sich übermorgen eh niemand mehr erinnern würde. Wäre der Bremsweg ihres Autos aber zwei Meter länger gewesen und die Frau wäre umgefallen, oder - schlimmer noch - auf der Straße zu Tode gekommen anstatt in ihrem Vorgarten, wäre Cornelias Leben ruiniert gewesen.
Verursachung eines Unfalls mit Todesfolge unter Alkoho leinfluss!
Job weg, Führerschein weg, diese Wohnung vielleicht auch weg!
Vielleicht sogar eine Gefängnisstrafe wegen Trunkenheit am Steuer!
Der Gedanke machte Cornelia noch eine Weile zu scha ffen. Sie wollte eigentlich den Rest des Nachmittags damit verbringen, drei Büroakten durchzugehen, aber sie konnte sich nicht konzentrieren. Sie verbrachte stattdessen den Rest des Tages vor dem Fernseher, lustlos hin und her zappend.
Gegen elf ging sie zu Bett und versuchte sich zu entspa nnen um gut einzuschlafen. Der Abend bei Andreas hatte ihr gut gefallen. Woran sie sich besonders erinnerte, war die Musik. Den ganzen Abend über war Andreas damit beschäftigt gewesen Musikstücke laufen zu lassen. Zuerst leise, romantische Melodien auf der Terrasse beim Aperitif. Dann das klassische Piano eines ihr unbekannten Musikers während des Essens. Nach dem Essen hatten sie wie die Bescheuerten zu alten Disco-Rhythmen getanzt. Später dann waren sie sich noch bei leisen, sentimentalen Liedern richtig nahe gekommen. Cornelia hörte die Melodien noch im Kopf.
Gary Moore’s "I still got the Blues"!
Cornelia schmiegte sich an Eduard während sie sich in einem blau erleuchteten Raum mit kurzen wiegenden Schritten langsam hin und her bewegten. Das Licht änderte von blau auf rot, und von rot auf gelb. Cornelia drehte sich alleine im Kreis während Andreas neben ihr stand und zuschaute. Das Licht wechselte von gelb auf weiß, und das Bild der zuschauenden Françoise erlosch. Stattdessen stand ein großer grauer Wolf neben Cornelia und schaute sie mit seinen gelben Augen an.
Cornelia schrie auf und setzte sich ruckartig im Bett auf. Ihr Herz hämmerte wild. Es dauerte eine ganze Weile bis sie b emerkte, dass es nur ein Alptraum gewesen war, und dass es draußen noch dunkel war.
»Scheiße!«, fluchte sie leise und ließ sich wieder ins Bett fa llen. Es dauerte eine ganze Weile bis sie wieder einschlafen konnte. Ihre Gedanken kreisten immer wieder um diesen grauen Wolf mit seinen gelben Augen.
Montag, 9. Juni 2012
Am Montagmorgen war der Alptraum kein Thema mehr. Haare föhnen, schminken, anziehen, frühstücken. Auch wenn Cornelia etwas eitel war, so brauchte sie morgens kaum länger als eine Stunde bis sie ihren Porsche aus der unterirdischen Garage zog. Die Fahrt von Krausberg zur Firma an der Albert-Schweitzer-Straße dauerte ungefähr 35 bis 40 Minuten.
Im Büro hatte Cornelia eine erste Besprechung über Ha nnes & Blau. Der angeschlagene Hersteller von medizinischen Kleingeräten war zu einem Übernahmekandidaten geworden. Das Unternehmen hatte mehr als 63 Millionen Euro Schulden angehäuft und war in Schieflage geraten. Die Kreditlinien bei den Banken waren erschöpft und die Liquiditätslage eher schlecht. Und so hatten die Partner von Benaria ein Auge auf das Unternehmen geworfen. Über eine Gesundschrumpfung und den nachträglichen Ausbau durch weitere Zukäufe bot das kranke Unternehmen ein gewisses Potential und somit eine echte Perspektive für einen Investor.
Cornelia bat
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