Die Anklage - Ellis, D: Anklage - Breach of Trust
während Madison mir weiter Instruktionen erteilte. Was nur folgerichtig war bei einem Gouverneur, der sich nicht für die Details interessierte. Vermutlich musste es so sein. Gleichzeitig fragte ich mich, wie viel Gouverneur Snow tatsächlich über das wusste, was um ihn herum vorging. Über Rick Harmoning, den Gewerkschaftsboss zum Beispiel. Der Gouverneur wusste ganz offensichtlich, dass Harmoning um Posten für Freunde in der Snow-Administration nachgesucht hatte. Wusste er auch, dass ein regelrechter Handel von Jobs gegen Gewerkschaftsunterstützung stattgefunden hatte. Ich war mir nicht sicher, und bisher hatte ich auch keinen Beweis dafür.
Andererseits war ich mir auch gar nicht sicher, ob es mich überhaupt kümmerte. Schließlich verfolgte ich ein ganz anderes Ziel als meine Freunde vom FBI, Chris Moody und Lee Tucker. Ich wollte herausfinden, wer hinter dem Mord an Greg Connolly steckte – und hinter dem Beinahe-Mord an mir, dem ich während des lustigen Verhörs nur knapp entgangen war. War dieses Rätsel gelöst, würde mir das möglicherweise auch verraten, wer Ernesto Ramirez auf dem Gewissen hatte. Vermutlich dieselben Leute, die mit Charlie Cimino zusammenarbeiteten.
Und ja, so wenig ich es auch schätzte, ein Spitzel zu sein, so hatte ich doch nichts dagegen, Korruption auf höchster Staatsebene aufzudecken. Einen unqualifizierten Richter an den Obersten Gerichtshof berufen? Sich die Unterstützung der Gewerkschaften mit Posten in der Verwaltung erkaufen? Geld von Abtreibungsgegnern erpressen im Austausch für ein Veto gegen ein Anti-Abtreibungsgesetz? Ich konnte damit leben, dem FBI im Kampf dagegen zu helfen.
Aber genau in diesem Punkt, dachte ich, lag auch der Unterschied: Mir war es gleichgültig, ob ihnen Gouverneur Snow dabei mit ins Netz ging. Ich zählte keine Skalps und versuchte nicht, möglichst viele Verdächtige auf die Anklagebank zu kriegen. Ich wollte wissen, wer mich in diesen Raum gesetzt hatte, nackt bis auf die Unterhose, um mich verhören zu lassen; wer den Mord an Greg Connolly befohlen und ihn mit runtergelassener Hose im Park abgeladen hatte; wer Adalbert Wozniak und Ernesto Ramirez hatte beseitigen lassen. Wenn es Gouverneur Snow gewesen war, dann sei’s drum, dann sollte er dafür bezahlen. Chris Moody wollte den Gouverneur vor allem aus politischen Gründen. Ich wollte einfach nur die Wahrheit herausfinden.
»Gouverneur«, sagte ich. »Richter Ippolito hat mich gebeten, Ihnen mitzuteilen, dass er sich sehr geehrt fühlen würde, im Obersten Gerichtshof zu sitzen.«
»Ippo… Ippolito.« Der Gouverneur starrte mich ausdruckslos an. Eine Miene, die ich häufiger bei ihm sah. Dann blickte er zu Madison. »Gary Gardeners Mann?«
Madison nickte. »Wir können später darüber reden«, sagte sie.
Er dachte kurz darüber nach, dann nickte er ebenfalls. Es war nur allzu deutlich, wie das hier lief. Madison schirmte
ihren Boss ab. Alles endete bei ihr. Der Gouverneur wurde aus dem Getümmel rausgehalten. Das brachte mich wieder zurück auf meine Frage: Wie viel wusste Gouverneur Snow wirklich? Er hatte nicht mal George Ippolitos Namen auf Anhieb wiedererkannt.
Die Limo bremste vor dem Ritz-Carlton. Wieder stieg der Gouverneur in einem Hotel ab, obwohl seine Familie in der Stadt lebte. Der Gouverneur und Madison kletterten aus dem Wagen und traten hinaus in die kalte, frische Luft.
Hector winkte mir. »Wir kommen gleich nach«, sagte er zum Gouverneur und zu Madison.
Dann drehte er sich zu mir. »Ich muss kurz mit Ihnen sprechen«, erklärte er.
78
Hector hatte sich in der Limousine bereits den zweiten Scotch eingegossen, was in Verbindung mit den diversen, im Verlauf des Abends konsumierten Bieren seine Augen gerötet und seine Haltung gelockert hatte. Außerdem versetzte es ihn ganz offensichtlich in schlechte Laune.
»Über was haben Sie da eben geredet? Jobs für Rick Harmoning? Und dann dieser Richter, der den Gouverneur grüßen lässt?«
Das alte Spiel. Hector fühlte sich ausgeschlossen und wollte mitmischen, während ich versuchte, ihn davon abzuhalten, um ihn zu schützen. »Wie kommt’s, dass der Gouverneur im
Ritz übernachtet, anstatt zuhause in seinem eigenen Bett zu schlafen?«, fragte ich.
Hector wirkte verärgert über meine Frage und wedelte mit der Hand, als wollte er eine lästige Fliege verscheuchen. »Er befindet sich mitten in einer Kampagne. Seine Frau weiß, dass er sich konzentrieren muss. Und ich glaube nicht, dass sie ihn sonderlich
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