Die Anklage - Ellis, D: Anklage - Breach of Trust
könnte mit der Chemikalie zu tun haben, die vor ein paar Jahren ins Trinkwasser gelangt war und die der Stadt Tod und Anarchie und den Anwälten volle Kassen beschert hatte. Aber ich ließ die Idee, es könnte sich um eine groß angelegte Verschwörung um vergiftetes Wasser im städtischen Versorgungsnetz handeln, rasch wieder fallen.
Stattdessen versuchte ich es mit einer Google-Suche auf meinem Bürocomputer. Tatsächlich erbrachten die Initialen »BBK« jede Menge Treffer, aber ich ging nicht davon aus, dass Adalbert Wozniak vom Bundesverband Bildender Künstler oder wegen irgendeiner streng geheimen Bedien- und Beobachtungskomponente umgebracht worden war.
Meine Neugier, oder besser gesagt, meine Sturheit hielt mich bis weit über die normale Arbeitszeit hinaus im Büro fest, und ich durchstöberte die Datenbank, bis ich endlich einen echten Treffer landete. Ich nahm mir die Prozesse vor, in die ABW-Gastronomiebedarf verwickelt gewesen war, denn bei Gerichtsverhandlungen dreht es sich stets um zwei Faktoren, die zu einem Mord führen können, wenn man sie ins Extrem treibt – feindselige Gefühle und Geld. Wie sich herausstellte, hatte ABW-Gastronomiebedarf im April 2003 geklagt, weil die Kraftfahrzeugbehörde es abgelehnt hatte, einen Auftrag über die Lieferung von Getränken und Getränkeautomaten an sie zu vergeben. Als Regierungsauftrag war dieser in einem geheimen Bietverfahren ausgeschrieben gewesen, und die Instanz, die über die Vergabe zu entscheiden hatte – und die außerdem einer der Mitbeschuldigten war –,
war die so genannte Bau- und Beschaffungskommission – kurz»BBK«.
Wie mir erst kürzlich jemand versichert hat, sind heutzutage bei öffentlichen Auftragsvergaben Rechtsstreitigkeiten an der Tagesordnung. Wenn man einen Auftrag der Regierung nicht erhält, klagt man einfach. Warum auch nicht? Man versucht es noch mal auf anderem Weg. Kann ja nicht schaden. Von daher erschien mir die Angelegenheit zunächst nicht weiter bedeutsam.
Doch als ich dann »die Regierung« vor mich hinmurmelte, tauchte plötzlich aus den Tiefen meiner Erinnerung das Telefongespräch mit Ernesto Ramirez wieder auf. Ich hatte ihm zugesichert, dass seine Informationen anonym behandelt und ihn die Regierung als Hauptbelastungszeugen schützen würde.
Die Regierung, hatte er wiederholt und dabei das letzte Wort betont. Mann, Sie kapiern’s einfach nicht.
Ich hatte die Regierungsbehörden gemeint – das FBI und die Bundesstaatsanwaltschaft – und nicht die Landesregierung. Aber vielleicht hatte Ernesto da nicht so feine Unterschiede gemacht. Dennoch, seine Betonung des Wortes, die mir damals entgangen war, war unzweifelhaft von Bedeutung. Er wollte damit sagen, dass die Regierung Teil des Problems war. Und dieser Umstand verdiente es definitiv, genauer unter die Lupe genommen zu werden.
Ich wandte mich wieder meinem Bürocomputer zu und stellte ein paar Nachforschungen über die Bau- und Beschaffungskommission an. Offensichtlich vergab diese Behörde alle möglichen Arten von Aufträgen im gesamten Bundesstaat: von Beratertätigkeiten und anderen wissensintensiven Dienstleistungen bis hin zu Bauvorhaben und Straßenreparaturen.
Es war ziemlich erstaunlich, wie viele Aufträge der Staat an externe Firmen vergab (zum Beispiel an »Projektmanager für Kinderbetreuungseinrichtungen«, »Nastrum Aufzugreparaturen und Instandhaltung« oder »PSD Schaumstoffe, Matratzen für die Strafanstalt Marymount«). Die Liste umfasste weit über tausend Firmen.
Jede Menge Geld. Hunderte von Millionen, vielleicht sogar Milliarden. Und alles lief über die Bau- und Beschaffungskommission.
Ich sah bei den Chefs dieser Behörde nach, in der Hoffnung, dort auf die Initialen »VA« oder »CC« zu stoßen. Ohne Erfolg. Gregory Connolly war als Vorstandsvorsitzender aufgeführt. Die anderen vier Vorstandsmitglieder waren Alex Morris, James Clark, James Hathaway und Antonia Harris.
Ich las mir die Punkte durch, die ABW in der Klageschrift gegen BBK vorgebracht hatte und die nach dem Tod Wozniaks und der Schließung seiner Firma hinfällig geworden waren. Laut Anklage hatte ABW bei der Ausschreibung über Getränkelieferungen an Filialen der Kraftfahrtbehörde das günstigste Angebot eingereicht, dennoch hatte die BBK den Zuschlag dem zweitgünstigsten Bieter, Starlight Catering, erteilt.
Ich schickte eine E-Mail an Joel Lightner und bat ihn, sich ein bisschen hinter den Kulissen von Starlight Catering umzuschauen. Dann durchforstete
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