Die Anklage - Ellis, D: Anklage - Breach of Trust
er. »Zivilprozesse. Vertragsrecht. Da gibt es jede Menge Geld zu verdienen. Und die Arbeit ist teilweise recht interessant.«
»Vermutlich. Und wie funktioniert das genau? Muss man sich da in eine Warteliste eintragen?«
Der Kellner nahm unsere Bestellungen auf. Hector wählte einen Chefsalat. Ich orderte ein Truthahnsandwich und eine Suppe. Als der Kellner gegangen war, schnitt Hector ein Brötchen auf und bestrich es mit Butter. »Keine Warteliste«, erwiderte er, als handelte es sich um ein bloßes Understatement meinerseits. Ich verstand nicht ganz, hakte aber auch nicht nach.
»Besser ist die Empfehlung von jemandem, dem der Gouverneur vertraut«, führte Hector aus. »Jemand der glaubt, dass Sie ein ausgezeichneter Anwalt sind, und der Sie gerne fördern würde. Das würde helfen.«
»Gut, dann muss ich ja nur noch so jemanden finden«, witzelte ich. Es war ein nettes Angebot von seiner Seite. Vermutlich hatte er das Gefühl, mir etwas schuldig zu sein. Was allerdings nicht der Fall war. Er hatte die beachtlichen Honorarforderungen der Kanzlei beglichen, und mehr war nicht erforderlich. Aber ich verstand die Absicht dahinter. Wir hatten mehr als nur gute Anwaltsarbeit geleistet. Im Grunde hatten wir ihm das Leben gerettet. Sicher hegte er Paul Riley gegenüber ähnliche Gefühle, aber Paul war über die Maßen reich und hatte eine Berufung zum Bundesrichter in Aussicht. Ich dagegen hatte gerade eine persönliche Tragödie erlebt, und von außen betrachtet schien mein Leben wohl ziemlich aus den Fugen geraten. Ehrlich gesagt fühlte es sich von innen ziemlich genauso an.
»Snow ist der neue Mann in der Stadt«, sagte er. »Er wird sich für eine weitere Amtszeit bewerben, und er rechnet sich Chancen aus, eines Tages Präsident zu werden.«
»Und, hat er Chancen?«
Hector antwortete ausweichend. »Er treibt eine ziemliche Menge Wahlkampfspenden ein«, erwiderte er, was vermutlich heißen sollte, vielleicht. »Keine schlechte Gelegenheit, mit auf den Zug aufzuspringen, Jason. Jetzt, wo er gerade den Bahnhof verlässt.« Er nickte mir zu. »Sind Sie Demokrat?«
Ich lehnte mich zurück. »Spielt das eine Rolle?«
»Ja, natürlich. Sind Sie?«
»Ich bin ein irischer Katholik aus der South-Side, Hector. Demokrat zu sein ist bei uns die Grundvoraussetzung für die
Taufe.« Die wahre Antwort war, ich mochte beide politischen Parteien nicht und fühlte mich keiner verbunden.
»Und bei den Vorwahlen?«, fragte er. »Stimmen Sie da für die Republikaner oder die Demokraten?«
»Ich bin mir nicht mal sicher, ob ich jemals bei Vorwahlen meine Stimme abgegeben habe.«
»O Himmel.« Hector schüttelte den Kopf, als wäre ich ein hoffnungsloser Fall. »Okay, also, ich werde zusehen, was ich für Sie tun kann. Sind Sie denn überhaupt interessiert?«
Ich sagte ihm die Wahrheit: Ich war mir nicht sicher. Aber die Klienten drängten sich nicht gerade vor meiner Bürotür, und vielleicht konnte Hector etwas Interessantes für mich auftreiben.
Ich hatte ja keine Ahnung, wie »interessant« es tatsächlich werden würde.
13
Am gleichen Nachmittag rief ich Joel Lightner an, laut eigenen Worten ein Privatermittler der Extraklasse, um ihn um einen Gefallen zu bitten. Anschließend starrte ich an die Decke und dachte über Adalbert Wozniak und Ernesto Ramirez nach. Ich musste davon ausgehen, dass die beiden Morde irgendwie in Verbindung standen. Das FBI hatte anhand von Spuren Wozniaks Mörder ausfindig gemacht. Es war ein junger Cannibal namens Eddie Vargas, sofern mein Gedächtnis mich nicht im Stich ließ. Aber ein vierzehnjähriger Nachwuchsgangster
mordet nicht ohne Anweisung von oben. Und derselbe Auftraggeber hatte offensichtlich auch Ernesto als Gefahr betrachtet und seinen Tod befohlen.
Gut. Diese Schlussfolgerungen waren nicht weiter schwer gewesen. Eins plus eins ergab schließlich immer noch zwei.
Was hatte Essie erzählt? Sie glaubte, mein erster Besuch bei Ernesto sei erfolgreich gewesen. Ich hätte an sein Gewissen appelliert. Aber dann war er eines Tages aufgeregt nach Hause gekommen. Decepcionó. Enttäuscht. Aufgeregt. La verdad no importa, hatte er seiner Frau verkündet. Es lohne sich nicht, dafür ins Gefängnis zu gehen. Gefängnis – für Ernesto? War er an irgendetwas Illegalem beteiligt gewesen? Schwer zu sagen. Aber ganz offensichtlich hatte ihn meine Überredungskunst dazu gebracht, mit jemandem zu sprechen. Oder besser gesagt, jemand hatte mit ihm gesprochen. Ihn bedroht. Und anstatt mit
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