Die Anklage - Ellis, D: Anklage - Breach of Trust
sehen,
dass meine Idee Anklang gefunden hatte. Aus seiner Sicht musste der Vorschlag jede Menge Vorzüge haben.
»Die werden nicht nein sagen«, wiederholte ich.
»Nein, sicher nicht.« Cimino brach in Lachen aus. »Brillant. « Er klatschte aufs Lenkrad. »Scheißbrillant, Jason.« Er langte rüber und packte meinen Arm. »Klug ausgedacht, mein Junge.«
Ich bin nie jemand gewesen, der sich vor Lob versteckt hat, aber das hier war neu für mich. Ich wurde gerade dafür gepriesen, dass ich mir eine neue verbesserte Form des Verbrechens ausgedacht hatte; und das von einem Mann, dem ich nicht traute, den ich nicht mochte und den ich in großem Stil reinlegte. Doch bei alldem entging mir nicht, dass ich mein Ziel erreicht hatte: Ich hatte mich als wertvoll erwiesen und Ciminos Vertrauen in mich weiter bestärkt. In nächster Zeit brauchte ich mir wohl keine Sorgen darüber zu machen, dass Cimino mich nach Abhörgeräten durchsuchen würde.
Berühmte letzte Worte.
37
Das Wochenende vor Weihnachten verbrachte ich alleine. Shaunas Familie war in der Stadt, daher war sie rund um die Uhr beschäftigt, und die Einladungen zu ihren diversen Aktivitäten lehnte ich ab. Shauna hatte mich gedrängt, wenigstens zu ihrem Weihnachtsdinner zu kommen, aber bisher hatte ich noch nicht zugesagt; ich ging davon aus, dass sie auch nicht
weiter darauf bestehen würde, sobald ihre Familie sie erst einmal richtig auf Trab hielt.
Das war in Ordnung so. Ich hatte keine Lust auf Menschenansammlungen. Ich kam gut mit dem Alleinsein klar, oder besser gesagt, ich war nicht sonderlich scharf auf Gesellschaft. Das Racquetballspiel mit Cimino hatte meinen Appetit auf sportliche Verausgabung geweckt, und ich nahm mein intensives Fitnessprogramm aus Junggesellentagen wieder auf. Dazu gehörten unter anderem lange Läufe in der Kälte, mit denen ich mir beweisen konnte, was für ein harter Kerl ich war. Meine Diät an diesem Wochenende bestand aus Pizza und Kartoffelchips. Fitness und Junkfood, die unvereinbaren Grundsäulen eines typischen Junggesellenlebens. Hinzu kamen Krimis und Kinobesuche; auch wenn mir die komischen Seitenblicke der anderen Kinobesucher angesichts meiner einsamen Erscheinung unangenehm waren. Ich hab nie wirklich verstanden, wieso ein Kinoabend unbedingt in Gesellschaft stattfinden musste. Man kommt in einen dunklen Saal und starrt auf eine Leinwand; warum muss dabei die Person neben einem ein Bekannter sein?
Am Weihnachtsabend, einem Montag, fasste ich den Entschluss, Emily Janes Zimmer auszuräumen. Ich wollte ihr Kinderbettchen, den Schaukelstuhl und die Wickelkommode weggeben, die Beatrix-Potter-Tapete herunterreißen, die Wände in einer neutralen Farbe streichen und eine neue Phase in meinem Leben beginnen. Aber sobald ich den Raum betreten hatte, gefror mir das Blut in den Adern, und der Atem wurde aus meinen Lungen gepresst.
Es war merkwürdig. Im Verlauf eines Tages musste ich viel öfter an Talia denken als an unsere Tochter. Wir hatten so viel Zeit miteinander verbracht, so viele Erinnerungen und
Erfahrungen geteilt. Emily war erst ganz am Schluss dazugekommen, ein letztes kurzes Kapitel – knappe drei Monate, in denen ich auch noch größtenteils in den Almundo -Prozess eingespannt gewesen war. Ich konnte mich weniger gut an ihr Gesicht erinnern als an das Talias. Und auch die kleinen Dinge des Alltags erinnerten mich nicht an Emily, so wie sie es beständig bei meiner Frau taten.
Aber trotzdem, obwohl ich weniger häufig an Emily dachte, war es umso verstörender, wenn es geschah. Es ist leicht, das Offensichtliche zu konstatieren: das absolut Groteske und Sinnlose daran, wenn ein Leben nach nur drei Monaten endet. Es ist so grausam, dass es den eigenen Glauben tief zu erschüttern vermag, so wie das bei mir der Fall gewesen war. Klar. Aber da war noch mehr. Zwischen Emily und mir war noch keine tiefe Bindung entstanden. Noch nicht. Natürlich konnte ich all die zu erwartenden Gefühle ins Feld führen – meine Liebe zu ihr, meine absolute Hingabe –, aber die Wahrheit ist wohl, dass sich eine wirklich tiefe Bindung erst über die Zeit entwickelt hätte, und diese Zeit war uns einfach nicht vergönnt gewesen. Ich hatte Emily Jane nicht auf die gleiche Weise geliebt wie Talia – oder so sehr, wie ich sie im Lauf der Jahre zu lieben gelernt hätte. Und jetzt stellte sich heraus, dass mir das am meisten zu schaffen machte: Ich hatte nicht die Chance gehabt, meine Tochter so zu lieben, wie sie es verdient
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